Selbstfürsorge lernen

Liebe Leserinnen und Leser,
was haben Ausmisten, Aufräumen und Ordnung
mit Selbstfürsorge zu tun?
Um Sie durch dieses herausfordernde und spannende Thema zu führen,
habe ich mir ein dazu Märchen ausgedacht.
Tauchen Sie ein!

Wenn dein Herz hat eine Wunde,
höre frohe Elfenkunde:
Erschallet unser Glöckchenklang,
bedeutet’s für dich Liebesgesang.
Du weißt, nun ist es an der Zeit,
mach dich für die Liebe bereit.
Öffne dein Herz für dich zuerst,
fort ist jeder tiefe Schmerz.
Es war … in einem kleinen Dorf.
Da lebte eine Frau mit Namen Séraphine.
Séraphine liebte es, sich um andere zu kümmern.
Dies lag in ihrer Natur. Sie war zufrieden, wenn alle sich wohl fühlten.
Um das zu erreichen, wurde sie es nie müde zuzuhören, eine stabile Schulter zum Weinen anzubieten und praktische Lösungen zu finden.
Ob es sich um Familie oder Bekannte handelte, sie unterstützte sie mit Hingabe.
In der Nachbarschaft wurde sie deshalb schon „Engel“ genannt.
Sie hatte das mitbekommen und sich sehr darüber gefreut.
Es hatte sie noch mehr dazu angespornt, die Bedürfnisse andere zu befriedigen.

Ihr Mann George liebte und schätzte Séraphine und deren fürsorgliche Art.
Gleichzeitig beobachtete er mit Sorge, dass sie immer dünner wurde.
Außerdem zeichneten sich dunkle Ringe unter ihren Augen mehr und mehr ab.
Er war sich nicht sicher, woher das kam, schließlich war er kein Psychologe.
Aber er war Hufschmied und bei seiner Arbeit mit Pferden konnte er erkennen, wenn ein Pferd nicht in seiner Kraft war. Séraphine war definitiv nicht mehr in ihrer Kraft.
Er war sich nur nicht sicher, woher das kam. Irgendetwas schien ihr zu fehlen.
Vielleicht war sie manchmal ein bisschen zu lieb und nett.
Aber jedes Mal, wenn er sie darauf ansprach und ihr anbot z.B. ein Haustier für sie zu besorgen, damit sie auch jemanden für sich hatte, tat sie es ab mit:
„Ach Schmarrn, ich brauch das nicht! Außerdem liegt es doch in meiner Natur, mich anderer anzunehmen.“

„Ja schon“, meinte George, „aber alles im Leben braucht sein Gleichgewicht.
Und ich weiß nicht, ob das in dem Fall noch vorhanden ist.“
„Nein, Liebling, mach dir um mich keine Sorgen, mir geht’s gut.“
Sie lächelte ihn an, aber wenn man genau hinschaute, sah man, dass ihre Augen nicht mit lächelten.
Aber was sollte er tun? George fühlte sich hilflos.
Séraphine fühlte sich unwohl, weil ihr Mann in Sorge um sie war. Sie wollte, dass es ihm gut ging.
„Also muss ich künftig noch mehr lächeln“, nahm sie sich vor.
So ging das eine Weile weiter, bis Séraphine eines Nachts mit einem gellenden Schrei erwachte.
„Wah!“, rief George, der wach geworden war und einen gehörigen Schrecken bekommen hatte. „Schatz – was ist los?!“
Séraphine war kreidebleich. Sie sah in sein erschrockenes Gesicht und hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie ihn aufgeweckt hatte.
„Ach nichts, Schatz, es war bloß ein Alptraum. Schlaf weiter.“

George war verwirrt und wollte sie in den Arm nehmen. Doch Séraphine drehte sich weg und legte sich wieder hin.
Es verging keine Woche und Séraphine fuhr wieder aus dem Schlaf hoch, mit Angstschweiß auf der Stirn.
Von da an war es regelmäßig nachts das gleiche Szenario.
„So geht das nicht weiter“, dachte sich George.
Aber er wusste nicht, wie er seiner Frau helfen konnte.
Eines Tages, George hatte gerade das letzte Pferd versorgt, kam eine kleine Babykatze um die Ecke des Pferdestalls gebogen.
Sie maunzte, kam direkt auf George zu, blieb vor ihm stehen und sah ihn an.

„Ja wo kommst du denn her, du kleine Maus – äh kleines Kätzchen, Entschuldigung.“
Er wusste nicht, ob sie ihn verstanden hatte, aber so wie sie ihn ansah, schaute sie schon sehr intelligent aus. Auch wenn sie noch sehr klein war.
„Merkwürdig“, wunderte er sich.
„Ich habe gar nicht mitbekommen, dass einer im Dorf Nachwuchs erwartete. Hier im Stall hätte ich das schon erfahren. Na komm, meine Kleine, wir hören uns mal um. Vielleicht finden wir deine Familie.“
So gingen sie ins Dorf.
Doch egal, wen sie fragten, niemand hatte etwas von Katzenjungen gehört.
„Na dann, Kätzchen, hat uns dich wohl der Himmel geschickt. Komm, ich weiß genau die richtige Familie für dich.“
George glaubte nicht an Zufälle, eher an Fügungen.
Und mit einer leisen Freude im Herzen nahm er die kleine Katze hoch und ging mit ihr nach Hause.
„Schatz – wir sind zu Hause!“, rief er, als er beim Haus angekommen war.
„Wie – wir? Hast du jemanden mitgebracht?“, fragte Séraphine verwirrt.
Sie hatte niemanden kommen hören und sie hatte ein sehr gutes Gehör.
Sie sah auch jetzt niemanden. Da bemerkte sie im Augenwinkel etwas kleines Wuscheliges, das auf sie zukam.
„Oh!“ Sie war so überrascht, dass sie erst mal nicht wusste, was sie sagen sollte.
Die Babykatze strich an ihren Beinen und als sie ihre Hand zu ihr streckte, schmiegte sie sich an sie.
„Du bist ja ganz weich und warm.“ Séraphine fühlte das wuschelige Fell in ihrer Handfläche. Die Kleine schnurrte.
„Jetzt schon?“, lächelte Séraphine. „Ich hab dich ja noch nicht mal gestreichelt.“

Dann nahm sie sie hoch und setzte sich mit ihr aufs Sofa.
Etwas in ihrem Herzen war weich geworden.
George, der die Szene mit angesehen hatte, blieb im Türrahmen stehen und beobachtete die beiden.
„Es ist immer der gleiche Traum“, fing Séraphine an.
„Ich stehe in einem langen Gang und ein dunkler Mann kommt mit einer bedrohlichen Gebärde auf mich zu. Aber bevor ich weglaufen oder sonst etwas machen kann, wache ich auf und schreie.“
Eine Träne kullerte ihre Wange hinunter.
George ging zum Sofa, setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm.
Séraphine lehnte sich an ihn.
Nach einer Weile sagte er:
„Ich möchte dir so gerne helfen, aber ich weiß nicht, ob ich die richtige Person dafür bin. Ich habe von einer Frau Namens Magdalena im Nachbardorf gehört, die in so etwas sehr gut sein soll.
Wenn du möchtest, finde ich ihre Adresse heraus und du kannst sie einmal besuchen. Vielleicht kann sie dir sagen, was der Traum bedeutet und wie du wieder zu Kräften kommst. Was meinst du?“
Séraphine nickte, während sie sich weiter von George halten ließ und das kleine Kätzchen auf ihrem Schoß streichelte.
Séraphine hatte das Kätzchen in ihr Haus und Herz aufgenommen und gab ihr bald den Namen Fiona.
Fiona begleitete Séraphine wohin sie auch ging und schon bald meinten die Leute im Dorf, dass der Engel nun einen Schutzengel bekommen habe.
Sie freuten sich für Séraphine, denn sie alle hatten sie gern.

Es dauerte nicht lange, da hatte Séraphine mit Magdalena vereinbart, dass sie sie am späten Vormittag besuchen würde.
Am vereinbarten Tag machte sie sich zu Fuß auf den Weg ins Nachbardorf.
Fiona hatte sich in ein Täschchen gekringelt und ließ sich tragen.
Die Sonne war wärmer geworden und die Margeriten streckten sich ihr voller Freude entgegen.
Ein paar Bienchen summten durch die Gegend und sammelten emsig Nektar, um Honig zu zaubern.

Als sie bei Magdalena angelangt war, führte diese sie in ihren Garten.
Unter einer Weide setzten sie sich an einen fröhlich gedeckten Tisch.
In der Nähe plätscherte ein kleiner Brunnen vergnügt vor sich hin.
Séraphine setzte sich und blickte nervös auf ihre Kaffeetasse.
„Ich weiß eigentlich gar nicht so recht, wieso ich hier bin – mir geht’s doch gut.
Meiner Familie geht’s gut und die Menschen freuen sich, wenn ich ihnen helfe.
Es ist alles in bester Ordnung.“

„Hm“, machte Magdalena bloß, legte ihr ein Stück Nusskuchen auf den Teller und goss ihr heißen, duftenden Kaffee ein.
Fiona bekam ein Stückchen Fleisch.
Séraphine legte ihre Hände um die warme Kaffeetasse.
„Wenn nur diese Alpträume nicht wären…“
Magdalena sah sie einfach an.
„Eine dunkle, bedrohliche Gestalt kommt auf mich zu und ich erwache Schweiß gebadet mit einem Schrei in der Kehle.“

Magdalena sah Séraphine lange an. Dann sagte sie:
„Es wird dich erstaunen zu hören, dass viele Frauen diesen Traum haben.“
„Echt?!“ Séraphine war verblüfft. „Das ist ja eine Erleichterung.“
„Ich weiß“, meinte Magdalena. „Deshalb ist es auch wichtig sich mit anderen Menschen auszutauschen und nicht alles in sich hinein zu fressen.
Dadurch erkennen wir, dass es anderen im Grunde nicht anders geht.“
Séraphine nickte langsam.
„Und wusstest du, dass alle Aspekte im Traum wir selbst sind?“
Séraphine machte große Augen: „Bist du dir sicher?“
Magdalena lachte und nickte.
Séraphine begann zu grübeln.
„Bedeutet das, dass die Bedrohung aus mir selbst heraus kommt?!“
Sie war geschockt – das passte so überhaupt nicht in ihr Selbstbild.

„Keine Sorge, Séraphine, das ist ganz normal. Jeder hat zwei oder besser gesagt viele verschiedene Teile in sich – darunter dunklere und hellere.
Die Asiaten haben ein schönes Bild dafür. Es heißt „Yin-Yang“ und zeigt, wie zwei Teile zusammen ein Ganzes ergeben.“
„Ja und muss ich jetzt Angst um meine Familie haben?!“
Magdalena lachte: „Aber nein! Es geht dabei nur um dich.“
„Ach so, zum Glück.“
Magdalena grinste: „Um dich hast du wohl keine Angst?!“
Séraphine blickte sie an. Dann meinte sie: „Ich muss aufs Klo.“
„Wenn du im Gang stehst, die dritte Tür auf der rechten Seite.“
Als Séraphine zurückkam, sagte sie:
„Das hat mich jetzt überfordert. Ich habe das Gefühl, da ist wie eine Wand vor meinem Hirn. Ich kann gar nicht weiter denken.“
Magdalena lächelte.
„Wie geht es Fiona? Ich hab gehört, dass sie George zugelaufen ist.“
Séraphine strahlte und blickte auf ihren Schoß, in dem Fiona es sich mittlerweile gemütlich gemacht hatte.

„Ja, wir hatten so ein Glück mit ihr. Sie bereitet mir jeden Tag Freude.
Ich wünschte nur sie würde ein bisschen besser auf sich aufpassen.
Manchmal rennt sie einfach drauf los, ohne nach links und rechts zu schauen.
Ich mache mir Sorgen, dass ihr eines Tages etwas zustößt. Ich brauche sie doch!“
„Mhm…“, Magdalena nickte. „Und genauso geht es deinem Mann mit dir.“
Séraphine blickte überrascht auf. Dann musste sie lächeln.
„Verstehe…“, murmelte sie.
„Weißt du, Séraphine, es gibt eine große Aufgabe im Leben jedes Menschen und ich kenne fast niemanden, dem sie vollständig gelungen wäre.“
Séraphine schaute gespannt. „Und das wäre?“
„Die Selbstliebe.“
„Was?! Aber ist das nicht egoistisch?“
Magdalena lachte laut auf:
„Oh je, immer wieder die gleiche Angst… Also ich weiß nicht, wer dieses Ammenmärchen erfunden hat, aber er führte nichts Gutes im Schilde.“
Sie nahm einen Schluck Kaffee.

„Wenn du dich selbst liebst, fließt dein Herz über.
Und wenn dein Herz überfließt, fließt deine Liebe automatisch zu anderen Menschen.
Das ist reine Logik, es geht gar nicht anders.
Bezüglich des Egoismus muss man unterscheiden, womit man es gerade zu tun hat, also wovon genau gerade gesprochen wird.
Dabei gibt es zwei Möglichkeiten.
Die eine ist die, bei der ein Mensch will, dass man das tut, was er will.
Tut man es nicht, greift er einen an, mit der Anklage: „Du bist egoistisch.“
Damit lenkt er von seiner eigenen Selbstsucht ab und will dich dahin manipulieren, dass du das tust, was er will.
Bei der zweiten geht es um Menschen, die sich selbst nicht ausstehen können.
Weil dieser Zustand so schmerzlich ist, brauchen sie ständig die Bewunderung von anderen und kümmern sich nur um ihre eigenen Bedürfnisse.
Sie haben so wenig Energie bzw. es fließt so wenig aus ihrem Herzen, dass es andere nicht erreichen kann. Es bleibt nichts für die anderen übrig.
Sie sind wie ein schwarzes Loch, das sie ständig füllen müssen – am besten mit der Energie anderer.“
„Hm, was du sagst klingt stimmig. Trotzdem bekomme ich irgendwie Angst… und ich weiß nicht mal wieso…“
„Das ist verständlich“, erklärte Magdalena. „Schließlich werden wir unser ganzes Leben darauf trainiert uns nicht so anzunehmen, wie wir sind.
Und es gäbe ja nicht einmal jemanden, der uns die bedingungslose Selbstliebe vorleben könnte…

Dazu kommt:
Wenn wir uns nicht lieben, schneiden wir uns von unserer Kraftquelle ab.
Je weniger Kraft wir haben, desto ängstlicher sind wir.
Je ängstlicher wir sind, desto leichter sind wir manipulierbar…
Aber das würde jetzt zu weit führen. Bleiben wir bei deiner Aufgabe, dass du dich selbst liebst.“
Jetzt musste Séraphine lachen:
„Immer schön langsam, soweit bin ich ja noch nicht… da brauch ich schon erst noch was, das meine inneren Wächter besänftigt, also Antworten auf ein paar Fragen.“
„Nur zu“, grinste Magdalena.
„Also erstmal… ich weiß nicht… bist du dir sicher…?!“
Magdalena musste wieder lachen.
Sie sagte nichts und biss genüsslich in ihren Kuchen.
Dann meinte sie: „In der Bibel steht „Liebe deinen nächsten, wie dich selbst.“
Weißt du, was das bedeutet?“
„Ja eben!“, meinte Séraphine. „Da steht’s ja – dass wir uns um die anderen kümmern sollen.“
Magdalena schüttelte den Kopf.
„Nein, Séraphine, wenn es so wäre, wie du meinst, würde es heißen: „Liebe deinen nächsten.“
Aber das steht da nicht. Da steht ausdrücklich der Zusatz „wie dich selbst“.
Das heißt, zuerst kommt die Selbstliebe.
Und dann?
Dann kommt eigentlich nichts mehr, was getan werden muss, denn wenn die Liebe fließt, fließt sie – auch zu den anderen. Das geht von alleine.
Da gibt es ein sehr einfaches Beispiel:
Angenommen du sitzt mit deinem Kind im Flugzeug und der Sauerstoff geht aus.
Wenn du zuerst deinem Kind die Atemmaske aufsetzt, kann es sein, dass du nicht mehr dazu kommst, sie dir aufzusetzen.
Dann erstickst du und kannst dich um dein Kind nicht mehr kümmern.
Andersherum schon.“

„Hm…“, das erschien Séraphine einleuchtend. „Ok, also langsam komme ich mit…“
Liebevoll streichelte sie Fiona, die laut zu schnurren begann.
Was ist Selbstfürsorge?
„Aber… wie kommt man denn dann da hin?!“

Magdalena lachte laut auf.
„Das, meine Liebe, ist ein Mysterium, das wir alle gerne entschlüsseln würden…“
Séraphine musste lächeln.
„Ach so, also kein Stress, oder?“
„Exakt. Der Weg zur Selbstliebe ist der längste und schwierigste.
Er beginnt mit einfachen Fragen:
„Liebe ich mich bedingungslos?“
„Quillt mein Herz über, wenn ich an mich denke?““
„Ja ok, verstehe…“, lächelte Séraphine. „Das ist nicht ohne…“
„So ist es. Allein schon die Frage ist nicht ohne. Und dann noch die Antwort.
Sich selbst einzugestehen, dass man sich nicht liebt und sich nicht bedingungslos annimmt, ist ein großer und mutiger Schritt. Herzlichen Glückwunsch.“
Nun musste Séraphine lachen. „Was für eine Ironie… aber ja…“
„Prinzipiell ist es so: Alles, was ich tue, weil es mir gut tut (und anderen nicht schadet), ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstliebe.
Mit anderen Worten: Es geht um Selbstfürsorge.“
„Hm…“
„Aber das stellt uns vor ein weiteres Problem:
Woher weiß ich überhaupt, was mir gut tut?
Vor allem, wenn ich einen Großteil meines Lebens damit verbracht habe, die Bedürfnisse und Gefühle anderer wahrzunehmen und mich um diese zu kümmern.“
„Genau!“, rief Séraphine.
„Es gibt verschiedene Wege, dies heraus zu finden.
Aber zuerst einmal brauchen wir eine solide Basis. Das heißt: Der Körper muss versorgt werden.
Das mag banal klingen, aber in der heutigen Zeit kommt die Fürsorge für den Körper an allen Ecken und Enden zu kurz.
Was wir hier auf dem Land noch leichter bekommen sind Sonne, frische Luft und Natur.
Es gibt einen schlauen Mann namens Wolf-Dieter Storl, der es so beschreibt:
„Die Natur versorgt uns mit „echten“ Bildern, die, im Vergleich zu virtuellen Bildern, unsere Seele nähren.“
Ich finde, das ist schön und treffend ausgedrückt.

Bei den nächsten Punkten wird’s schon schwieriger: ausreichend Wasser, Bewegung, Nährstoffe und erholsamer Schlaf.
Ich spreche absichtlich von Nährstoffen, weil in Nahrungsmitteln nicht mehr genügend Nährendes enthalten ist.“
„Was meinst du damit?“
„Zum einen gibt es in den Böden nicht mehr genügend Nährstoffe.
Zum anderen werden viele Produkte als „Nahrungsmittel“ bezeichnet, obwohl sie nichts Nahrhaftes beinhalten.“
„Oh.“
„Mit diesen körperlichen Aspekten ist man schon mal eine Weile beschäftigt, vor allem, wenn es darum geht schädliche Gewohnheiten zu ändern.“
„Hm, ja“, Séraphine schaute betreten drein.
Wenn sie ehrlich war, hatte sie ihren Körper ziemlich vernachlässigt.
Nicht die äußerliche Pflege und bewegen tat sie sich auch genug.
Aber was Schlaf und Nährstoffe anbelangte, hui…
„Also, das mit der Nahrung, da hast du schon ins Schwarze getroffen… aber was mich so nervt, ist, dass es jedes Jahr einen anderen Trend gibt.
Und jeder kann mit Studien beweisen, dass seines das Gelbe vom Ei ist.
Woran soll ich mich da noch orientieren?!“
Séraphine hob hilfesuchend die Hände.

Magdalena lachte.
„Ja, Séraphine, ich weiß, was du meinst. Ging mir genauso. Ich habe Vieles ausprobiert.
Mein Fazit: Folge nicht den Trends, sondern orientiere dich an diesen Punkten:
1) Was schmeckt mir?
2) Was schadet mir?
3) Welche Nährstoffe brauche ich und wie viele?
4) Wo kriege ich die her?
Für Punkt 1 frägt man sein Gefühl und für Punkt 2 seinen gesunden Menschenverstand.
Bei den Punkten 3 und 4 wird’s schon schwieriger.
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Wissenschaftler, Forscher oder Ärzte (die keine Produkte verkaufen) persönlich auf einem Feld geforscht haben, weil sie es einfach lieben.
Sie interessieren sich mit Leidenschaft für Vitamin D oder für Darmbakterien.
Da gibt es schon ein paar im Internet, da wirst du fündig.“
„Ok, ja, da werde ich mal schauen. Denn es stimmt schon, wenn man seinem Körper nicht die Baustoffe liefert, die er braucht, kann er nicht gescheit funktionieren.“
„Genau. Soviel zum Körper. Aber“, erklärte Magdalena weiter, „wir haben ja nicht nur einen Körper, sondern auch eine Seele, eine Persönlichkeit und Vorlieben.
Wenn man sein Leben lang nur nach außen orientiert war, kann es am Anfang schon schwer werden, zu wissen wer man eigentlich ist und was man braucht und sich wünscht.

Selbstfürsorge – Übung
Die Übung, mit der ich mir dabei geholfen habe, war, mein ganzes Haus auszumisten und mir bei jedem Drum folgende Fragen zu stellen:
1) Bin ich das?
2) Wie geht es mir damit?
* Welche Gefühle ruft es hervor?
* Macht es mich glücklich?
Wenn ich mir diese Fragen immer wieder stelle, erarbeite ich mir den Kontakt zu meinem Inneren.
Wenn ich diesen Kontakt habe, tu ich mir in Zukunft leichter, zu wissen, was gut für mich ist.
Genauso wichtig ist, dass ich mich, wenn ich weiß, wer ich bin und was mir gut tut, besser abgrenzen kann – von anderen Menschen, deren Wünschen, Situationen usw.
Das ist essentieller Bestandteil von Selbstfürsorge und Selbstliebe.
Nur so können wir wirklich glücklich werden.“
„Puh… aha…“
Séraphine wäre von alleine nie auf diese Idee gekommen.
Sie überlegte eine Weile, während sie an ihrem Kaffee nippte.
„Also Selbstfürsorge bedeutet, dass ich mich um mich und meine Bedürfnisse kümmere…“
Sie war in Gedanken versunken.
Nach einer Weile meinte Magdalena:
„Genau. Das kann sowohl bedeuten, dass man unangenehme Dinge entfernt, als auch, dass man angenehme Dinge beschafft.
Im Leben generell.
Und dein Haus eignet sich sehr gut als Bühne, um das zu üben und Selbstfürsorge zu lernen.“
„Aber ist das nicht öde?“
Die Aussicht ihr ganzes Haus auszuräumen erschien Séraphine wenig verlockend.

Magdalena musste wieder lachen.
„Mir ging es wie dir. Ich dachte mir vorher auch: Das dauert ja ewig, da habe ich ja überhaupt keine Zeit mehr für mich, da mache ich lieber etwas anderes.
Ich weiß noch genau, wie ich vor meinem vollen Kleiderschrank stand und mir einfach nur grauste – wegen der Menge und der Mühe, alles rauszuräumen und zu sortieren.
Ich hätte weiß Gott was Besseres vorgehabt – ich hätte im Garten liegen können. Aber dann habe ich mich darauf eingelassen und hinterher stellte ich fest, dass es gar nicht schlimm gewesen war.
Und ich freute mich so – die Arbeit war getan und alles sah schön aus.
Ich hatte aber auch Hilfe. Ich habe es nicht allein gemacht.
Wenn du dich für diesen Weg entscheidest, komme ich gerne vorbei und helfe dir.“

„Hm…“, überlegte Séraphine. „Gut wär das schon mal.
Ich meine, allein schon wegen dem ganzen Zeug, das wir eigentlich nicht mehr brauchen.
Wir haben in Keller und Speicher so viele Sachen, die noch gut erhalten und wertig sind.
Es wäre zu schade, sie wegzuschmeißen!
Mir blutet das Herz, wenn ich daran denke.
Andere können sie auf jeden Fall noch gebrauchen.
Ich konnte mich bisher nur nicht aufraffen, alles anzuschauen.
Ich wüsste auch gar nicht, wie ich die Sachen an den Mann bringe.
Flohmarkt ist nicht meins, Internet ist mir zu kompliziert und ich weiß, dass es Einrichtungen gibt, die Sachen annehmen. Aber woher soll ich wissen, wer was wo?
Aber es nimmt schon echt viel Platz weg…“
Séraphine grübelte.
„Ich weiß, was du meinst – ging mir ganz genauso.
Ich hatte auch einige Küchenmaschinen, die gelangweilt im Schrank herum standen.
Ich dachte ich muss sie unbedingt haben, aber als ich sie dann hatte, habe ich gemerkt, dass sie mich nerven – entweder weil der Auf- und Abbau zu langwierig war oder weil ich sie ewig schrubben musste.
Am Ende standen sie dann nur herum, staubten ein und nahmen Platz weg.“
„Genau“, Séraphine kicherte, „solche hab ich auch!“
Radikale Selbstfürsorge
„Hm, eigentlich ist das schon eine gerissene Methode, mit der ich lernen kann, mehr auf mich zu achten und für mein Wohlbefinden zu sorgen“, überlegte Séraphine.
„Ja“, antwortete Magdalena. „Und man findet auch hier wieder das Yin-Yang-Prinzip:
Anstatt als einen Haufen Zeug kann man die Gegenstände im Haus auch als Schatzkiste betrachten, anhand der man Selbstfürsorge hervorragend üben kann.“

„Ja, stimmt.
Aber sag mal, was ist mit der Reaktion meiner Mitmenschen?
Werden die sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn ich plötzlich mehr auf mich schaue?“
„Ja und nein. Es gibt solche und solche. Die Spreu wird sich vom Weizen trennen.
Die, die dich ausgenützt haben, werden sich von dir abwenden.
Aber das ist ja dann eh besser so, das brauche ich dir nicht erklären.
Die anderen, die, die es gut mit dir meinen, werden sich daran gewöhnen und sich letztendlich für dich freuen.
Es ist auch so: Du brauchst das nicht radikal machen.
Das Ganze braucht eine solide Basis, damit das Haus nicht auf Sand gebaut wird.
Das heißt, auch du brauchst Zeit, um dich daran zu gewöhnen.
Wenn es zu viel auf einmal und von jetzt auf gleich wäre, würdest du Gefahr laufen, ganz schnell wieder damit aufzuhören.
Mit der Selbstliebe ist es wie mit einem Handy und Starkstrom. Den Starkstrom würde das Handy nicht vertragen.
Man braucht Trafohäusl usw., um den Strom bis zu einer Dosis herunter zu dröseln, die das Handy vertragen kann.
Genauso brauchen wir Selbstfürsorge und Liebe in einer Dosis, die uns bekommt und die wir annehmen können.
Wenn wir die Dosis gewöhnt sind, können wir einen Schritt höher gehen.“

Mangelnde Selbstfürsorge
Mittlerweile war es Nachmittag geworden.
Die beiden Frauen unterhielten sich so angeregt, dass sie die Zeit ganz vergessen hatten.
Das Zwitschern der Stieglitze wurde mit jeder Stunde lauter und der Duft von Magdalenas Kräuterbeeten stieg ihnen in die Nase.

„Das ist bei dir ja wie Aromatherapie“, lachte Séraphine.
Sie atmete tief den erdenden Duft ein.
Magdalena strahlte.
„Hm“, fuhr Séraphine fort. „Ja, das Beispiel mit dem Handy ist einleuchtend.
Aber sag nochmal warum Selbstfürsorge und Selbstliebe so schwer sind.
Warum mangelt es den Menschen so daran?
Das ist doch traurig.“
„Naja, wie gesagt, wir sind das nicht gewöhnt.
Wir brauchen bloß in die Geschichte schauen. Seit Jahrtausenden finden wir dort eher Krieg als Liebe.
Zum anderen ist es so, dass wir in unserer Psyche bzw. in den Tiefen unseres Unterbewusstseins den Aspekt des Selbstzerstörers haben.
Er ist wie ein Saboteur, der gegen uns arbeitet – wenn wir ihn lassen.“
„Ach so, und das war dann die bedrohliche Gestalt in meinen Träumen?“
„Genau. Dein Unterbewusstsein wollte dir damit zeigen, dass es Zeit ist, auf deine Instinkte zu hören und da gehört der Selbsterhaltungstrieb dazu.
Es ist höchste Eisenbahn, den bedrohlichen Aspekt des Selbstzerstörers in die Schranken zu weisen.
Wenn man das nicht macht und im Alltag nicht auf diese innere Stimme hört, egal ob in der Arbeit, als Eltern oder beim sozialen Engagement, wird man im Laufe der Zeit immer schwächer und am Ende landet man in einer Depression.
Die ist die endgültige Abwärtsspirale. Wenn man da mal drin ist, ist es schwer, wieder rauszukommen.
Es ist besser, man lässt es nicht so weit kommen.“
„So, wie du das beschreibst, klingt das plausibel“, meinte Séraphine.

Magdalena erklärte weiter.
„Als Mutter oder Vater kann man sich auch die Frage stellen:
„Welches Vorbild möchte ich meinen Kindern sein?“
Jeder, der Kinder hat, weiß: Menschen lernen am schnellsten, leichtesten und automatischsten über das Nachahmen.
Das ändert sich im Laufe des Erwachsen-Werdens nicht.
Wie will man also, dass es seinen Kindern geht?
Will man, dass sie sich für andere aufarbeiten oder dass sie vor Liebe überfließen?
Die Liebe fängt immer mit der Selbstliebe an.
Dieses Naturgesetz lässt sich nicht umgehen.
Wenn man sich nicht liebt, kann man auch keinen anderen wirklich und aus tiefem Herzen lieben. So einfach ist das.
Das heißt auch, wenn du dich um dich kümmerst und darauf schaust, dass es dir zuallererst gut geht, bekommt deine Fürsorge für andere eine andere Qualität und Tiefe.“
Magdalena zwinkerte.
„Das ist der Extra-Bonus.
Aber das soll, wie gesagt, nicht das Ziel sein.

Das größte Geschenk, das wir haben, sind wir selbst und die Begegnung mit uns – offen, unverstellt, mutig und ehrlich.
Wenn wir das vermeiden, können wir auch mit anderen keine wirkliche Nähe leben.
Wenn du genau hinsiehst, bemerkst du, dass man mit dem Kümmern-um-andere die Menschen auch von sich weg schieben kann.
Wenn man hingegen seine Bedürfnisse äußert, lässt man sich von anderen Menschen berühren.
Man wird nahbar und zeigt sich den anderen.“

Séraphine musste an die letzten Wochen denken und wie das Thema Nähe tatsächlich schwierig für sie gewesen war, bis zu dem Punkt an dem die kleine Seelenhelferin Fiona in ihr Leben getreten war.
Sie sagte:
„Ja, darüber muss ich nochmal sinnieren… Da ist was dran.
Bitte, Magdalena, erkläre mir doch nochmal den Zusammenhang zwischen Selbstfürsorge auf der einen und Ausmisten, Aufräumen und Ordnung auf der anderen Seite.
Das war jetzt so viel – mein Kopf ist schon ganz verwirrt.“
„Ja klar. Also, Ausmisten und Aufräumen sind deshalb Aspekte der Selbstfürsorge, weil sie drei Bereiche mit sich bringen:
1) Abstrakt:
Durch die Konfrontation mit den Gegenständen in deinem Haus, lernst du wahrzunehmen, wer du bist und was du willst.
2) Konkret:
Für die meisten Menschen stellt ein klares, übersichtliches und schönes Zuhause bereits ein Bedürfnis dar. Um das kümmerst du dich.
Nach getaner Arbeit steht die Ordnung da wie ein Meilenstein, der dich einerseits an deine Errungenschaft erinnert und andererseits daran, dass du mit der Selbstfürsorge fortfahren möchtest.
Gleichzeitig zeigst du dir, dass du es dir wert bist, eine schöne Umgebung zu haben.
3) Indem du das aus deinem Haus und deinem Leben entfernst, was unnütz oder schädlich für dich ist, machst du Platz für Menschen, Situationen, Gelegenheiten und Dinge, die dich glücklich machen.“
„Ok. Danke, Magdalena.“

Magdalena fuhr fort:
„Wenn du den Weg der Selbstfürsorge und Achtsamkeit gehst, wird dein Selbstwert automatisch wachsen.
Du wirst dir deiner inneren Kraft bewusst und kannst sie immer besser spüren.
Dies wird deinem Leben eine neue und fein auf dich abgestimmte Richtung geben.
Ich gebe dir hier noch zwei Dinge mit – ein Märchen zu Aufräumcoaching und ein Märchen zu Ordnungscoaching.
Da kannst du noch ein bisschen schmökern, wie genau das abläuft.“
Selbstfürsorge Symbol
Séraphine gähnte.
„Entschuldige – nicht, dass du jetzt denkst ich langweile mich.“
Magdalena lachte.
„Nein, Séraphine, ich weiß, wie die menschliche Seele funktioniert.
Das, womit wir uns heute befasst haben, geht ans Eingemachte. Es ist das Schwerste, was du je bewerkstelligen wirst. Der Prozess hat begonnen.
Kein Wunder, dass du müde bist.“
Séraphine war erleichtert.
„Bevor ihr geht, möchte ich dir etwas mitgeben.
Fiona, bitte statte unseren kleinen Freunden einen Besuch ab. Du weißt Bescheid.“
Séraphine war überrascht. „Kennt sich Fiona hier denn aus?“
„Ja“, lächelte Magdalena verschmitzt. „Ich habe mit bekommen, dass es dir nicht gut geht. Da dachte ich mir, ein Kätzchen könnte dir gut tun.“
Sie zwinkerte vergnügt.
Séraphine war baff.
Als Fiona zurückkam, saß auf ihrem Rücken ein kleiner Gnom.
Séraphine blinzelte. „Hast du mir etwas in den Kaffee getan?“
Magdalena lachte laut auf. „Vielleicht.“

Séraphine sah den kleinen Gnom ungläubig an. „Zwick mich, damit ich weiß, dass ich nicht schon wieder träume.“
„Wie du willst!“, meinte der Gnom und pikste sie ins Wadel.
„Au!“, lachte sie. „Schon gut, ich glaub ja, dass es dich gibt!“
„Das ist Toni“, stellte Magdalena vor.
„Er hat sich dazu bereit erklärt, dich für eine Weile zu begleiten.
Er ist von nun an ein Symbol für deinen Weg der Selbstfürsorge und Selbstliebe.
Wenn er sieht, dass du dich auf dem Holz-Weg befindest, zwickt er dich ins Wadel.“
„Ja sauber!“, rief Séraphine aus.
Als sie sich an seinen Anblick gewöhnt hatte, sagte sie zu ihm:
„Grüß dich, Toni. Bitte entschuldige, ich bin den Anblick von Gnomen nicht gewöhnt. Ich freue mich sehr, dass du mich ein Stück meines Weges begleiten möchtest und danke dir herzlich dafür.
Aber sag, Toni, hieß es im Gedicht der Naturwesen nicht, dass das Erklingen von Elfen-Glöckchen den Menschen an die Selbstliebe erinnern soll?“

Toni grinste spitzbübisch.
„Ja, das ist schon richtig.
Aber es gibt ja noch andere Naturwesen als Elfen.
Wir Gnome zwicken lieber.
Das hat sich für uns als effektiver erwiesen.“
Er lachte.
„Hm, ok“, überlegte Séraphine. „Eigentlich passen Erdwesen auch besser zu mir.“
Toni lächelte geheimnisvoll. „Sehr gut beobachtet. Das kann doch noch was werden mit deiner Selbsterkenntnis und Selbstfürsorge.“
Séraphine musste unvermittelt lachen.
Ja, dieser Gnom schien genau das zu sein, was sie brauchte.
„Aber schau“, meinte Toni, „ich hab für Fionas Halsband extra ein Glöckchen mitgebracht. Dann hast du beides. Ist halt jetzt ein Gnom-Glöckchen.“
Séraphine lachte. Sie konnte den kleinen Gnom, der da vor ihr stand, nicht fassen. Er war ein Goldstück.
„Danke, Toni! Sag, magst du Würstl?“
Toni schleckte sich über die Lippen. „Ja klar, und ich hab schon mächtig Hunger!“
„Na dann komm.“
„Gerne. Aber davor möchte ich dir noch ein Geheimnis verraten.“
Echt?!“, staunte Séraphine. „Da bin ich aber mal gespannt.“
„Ja“, meinte Toni. „Hör gut zu, diese Gnom-Weisheit hat uns unsere Uroma erzählt:
Hast du einen Wunsch,
trink gemütlich Punsch.
Sichtbar musst du’s dann platzieren
und dann einfach geh spazieren.
Denn das, was hängt in deinem Fenster,
drum kümmern sich die Gespenster.
Und dann sei gescheit:
Geduld ist an der Zeit.“

„Hm“, überlegte Séraphine. „Bedeutet das, dass ich mich nicht stressen und was ich mir wünsche ins Fenster hängen soll?“
„Ja, richtig“, antwortete Toni.
„Denn das, was im Fenster hängt, ziehst du automatisch in dein Haus hinein.
Das ist Gnom-Gesetz“, verkündete er stolz.
Er fuhr fort:
„Als wir noch klein waren, haben meine Brüder und ich immer gedacht, das wäre Schmarrn. Aber neugierig waren wir doch. So haben wir es ausprobiert.“
Er kicherte vergnügt.
„Tja, was soll ich sagen. Unsere Uroma hatte Recht gehabt.
Wenn ich recht überlege, hätten wir eigentlich viel mehr auf sie hören sollen.
Aber mei – Gnomkinder, was soll man da machen…“
Séraphine war so berührt davon, wie Toni vor ihr stand und schelmisch grinste, dass ihr ganz warm ums Herz wurde.

„Ok, Toni, das heißt in meinem Fall, dass wenn ich mir Selbstliebe wünsche, ich mir Symbole für die Liebe in meine Fenster hängen soll, oder?“
„Ja, genau. Da gibt es ja ein wunderbares Symbol. Das brauch ich dir nicht sagen.“
Toni und Séraphine lächelten sich an.
Sie verstanden sich.

„Aber bedenke:
Gnom-Weisheit ist immer auf den Menschen zugeschnitten, der sie durch einen Gnom erhalten hat. Sie ist nicht universal gültig.
Wenn jemand z.B. nicht von der Couch herunter kommt, geben wir ihm eine andere Gnom-Weisheit. Oder vielleicht einen klitzekleinen Tritt.“
Er grinste verschwörerisch.
„Jetzt hab ich aber wirklich Hunger. Lass uns nach Hause gehen.“
Séraphine und Magdalena umarmten sich.
„Wir sehen uns nächste Woche beim Ausmisten und Aufräumen.“
Die drei machten sich auf den Weg.
Es war bereits dunkel geworden und der Abendtau glitzerte auf den Pflanzen wie kleine Sterne.
Fiona ging neben Séraphine und auf ihrem Rücken ritt Toni.
Er läutete mit dem Glöckchen und rief, so dass man es schon von weitem hören konnte:
„Aus der Bahn, aus der Bahn – ja, da hängt der Toni draan!“
Séraphine musste lachen und wandte sich zu Magdalena um.
Sie sahen sich vergnügt in die Augen – und in der Welt waren ein bisschen mehr Freude und ein Funken mehr Liebe.
