Ordnungscoach München

Es ist Nacht im Wald.
Ein Baumstamm liegt auf dem Boden.
Darauf wachsen Schwammerl.
Schmetterlinge mit hellblau-schimmernden Flügeln schwirren herum.

Es war einmal … vor langer Zeit in einem finsteren Wald.

Da lebte eine Hexe namens Grazia.

Als sie noch klein war, war sie ein sehr lebendiges Kind gewesen, das sich viel bewegte, am liebsten den Wald erforschte und andere durch ihre unkonventionellen Ideen überraschte.
Ihre Freundinnen bewunderten ihre Einfälle, worauf sie schon ein bisschen stolz war.

Hügel mit schwarzen Nadelbäumen. Zwischen ihnen hängen dicke Nebelschaden.
Der Himmel darüber ist grau.
In ihm hängt eine blasse Mondsichel.

Sie liebte es für Tiere zu singen, die sich verletzt hatten.
Wenn sie ein Vögelchen fand, das sich den Flügel gestaucht hatte, stimmte sie ein Lied an, das nur für dieses Tier bestimmt war. Die Melodie dazu kam in dem Moment aus ihrem Herzen und ihre Stimme klang anders, viel tiefer als sonst.
Es war, als würde Mutter Erde mit einer beruhigenden, heilenden Stimme durch sie hindurch klingen.
Durch diese liebevolle Behandlung erholten sich die Tiere rasch. 

Auf einer Bergwiese liegt ein junger, brauner Wolf mit bernsteinfarbenen Augen.

Als sie bereits eine junge Frau war, fand Grazia im Wald einen kleinen Wolfswelpen, dessen Rudel der Angst der Dorfbewohner zum Opfer gefallen war.
Sie nahm sie bei sich auf und gab ihr den Namen des Mondes: Luna.
Da Luna noch sehr klein und tollpatschig war, gab sie ihr den Spitznamen Loony.
Luna war eine treue Seele, die Grazia nicht von der Seite wich und mit Dankbarkeit und Neugier ihre neue Welt erforschte.

Als Grazia noch ein Kind gewesen war, war sie eher wild gewesen und hatte keinen Sinn darin gesehen, Ordnung zu halten.
Deshalb fand sie auch, dass ihr Name nicht zu ihr passte. Vielleicht würde das ja noch kommen.
Ihre Mutter hatte immer gemeint: „Alles, was du dafür brauchst, ist ein Perspektivenwechsel. Ich wünschte du könntest dich durch meine Augen sehen.“ Aber als Kind hatte sie das nicht interessiert. 

Es hatte sie auch immer genervt, wenn ihre Mutter zu ihr sagte, sie solle ihr Zimmer aufräumen und Ordnung halten. Sie hatte es schon nicht mehr hören können.

Jetzt freute sie sich, ihr eigenes kleines Häuschen im Wald zu haben. Dort konnte sie so viel Unordnung haben, wie sie wollte. 

Im Wald steht ein Häuschen.
Die Sonne wirft goldene Strahlen in das Bild.

Doch nach einiger Zeit merkte sie, dass das doch nicht so das Gelbe vom Ei war und ihre Mutter vielleicht doch Recht gehabt hatte – eine Erkenntnis, die sie sich eigentlich nicht eingestehen wollte.
„Aber das beste Beispiel sind meine Eltern auch nicht gewesen“, murmelte sie. Aber damals hatte es Begriffe wie „Role Model“ noch nicht gegeben. 

Nun, da sie selbst ein Häuschen hatte, mit vielen Kräutern, Steinen, Ölen, Fläschchen und Schatullen, sah sie, dass es Sinn machte, eine Ordnung zu haben.
Es nervte sie, wenn sie endlos suchen musste und am Ende doch nicht fand, was sie brauchte.
Außerdem kostete es sie Zeit, und obwohl es damals noch nicht den gleichen Zeitdruck gab, wie heute, hätte auch sie ihre Zeit lieber mit etwas anderem als Suchen verbracht.

Verschiedenartige, bunte Gewürze befinden sich auf und um Löffel. Alles liegt wild durcheinander.

Mit Schrecken bemerkte sie auch, dass es sogar gefährlich werden konnte, wenn sie es beim Zaubertrank-Brauen eilig hatte und nicht genau auf die Beschriftung kuckte.
Ihr fehlte einfach der Überblick.
Sie wünschte sich ein System, bei dem sie all ihre Dinge so zur Hand hatte, dass sie ihr dienten.

Ärgerlicherweise war es nun, da ihr die Erkenntnis gekommen war, zu spät dafür, als dass sie alles eben mal schnell hätte ordnen können. Es war einfach zu viel. Und für diese Berge fehlte ihr nun wirklich die Motivation. 
Dazu kam, dass sie immer wieder neue Ideen und Projekte hatte und diese nicht immer abschloss, so dass auch davon einiges unbeendet liegen blieb. 

Sie war am Verzweifeln. Sie bemerkte, wie das Chaos um sie herum sie stresste und belastete. Sie wusste nicht, wie sie dessen Herrin werden konnte. 
Gleichzeitig schämte sie sich. Das musste doch eigentlich einfach sein. Bei anderen klappte es doch auch. Warum bei ihr nicht?! 
Zum Glück hatte sie hier im Wald keine Nachbarn. Das hätte ihr gerade noch gefehlt – Gerede in der Nachbarschaft. 

Eine Hand schenkt Tee aus einer Glaskanne ein.
Drum herum stehen kleine, weiße Schälchen, die mit verschiedenen, bunten Kräutern gefüllt sind.

Aber auch ihre Hexenfreundinnen hätte sie gerne einmal zu sich eingeladen, damit sie Zaubertrankrezepte austauschen konnten.
Aber es war ihr zu peinlich, diese zu ihrem „Sauhaufen“ (wie ihre Mutter es immer genannt hatte) einzuladen – wobei sie wirklich nicht verstand, was Schweine damit zu tun hatten. Wenn Luna nicht in ihr Leben gestolpert wäre, hätte sie sich ein kleines Schweinchen als Haustier geholt. Immerhin waren diese sowohl intelligent als auch sozial.
Ihre Großtante Amanda, eine sehr berühmte Hexe ihrer Zeit, hatte ein Schwein Namens „Happy-Lee“ als Begleiterin gehabt und sie war sehr glücklich mit Happy-Lee gewesen.

Was besonders an ihr nagte, war, wenn Oberhexe Walpurgia in der Hexenausbildung vom Zuhause als Kraftort sprach.
Als Hexe war sie auf ihre (Hexen-)Kraft natürlich angewiesen. 

„Das Zuhause hat mehr Einfluss auf die anderen Lebensbereiche, als ihr es euch vorstellen könnt“, wurde Walpurgia nicht müde zu erklären.
„Es ist wichtig, eure Dinge mit Respekt und Achtung zu behandeln und eurem Zuhause eine große Wertigkeit beizumessen. So könnt ihr euer Zuhause in einen gemütlichen und harmonischen Wohlfühlort verwandeln.“ 

Ein Wohlgefühl? Nein, das hatte sie zu Hause schon lange nicht mehr gehabt. Stattdessen fühlte sie sich überfordert. Dies wiederum nagte an ihrem Selbstwertgefühl.
Sie erzählte es niemandem, aber insgeheim hatte sie Angst, ein hoffnungsloser Fall zu sein.

Obwohl Luna ein Geschöpf des Waldes war, liebte sie ihr kuscheliges Wolfsbettchen. Am Anfang hatte es neben dem Kamin gelegen und sie hatte es geliebt, dem Knistern des Feuers zu lauschen und den warmen Schein der Flammen zu beobachten.
Mittlerweile hatte das „kreative Chaos“ ihres geliebten Frauchens aber so überhandgenommen, dass sich kein schöner Platz mehr im Hexenhaus dafür finden ließ.
Außerdem spürte sie, dass Grazia selbst nicht glücklich war mit dem ganzen „Zeug“.

Aber Luna war ein schlauer Welpe mit einer feinen Wolfsspürnase.
Und so fand sie beim Besuch bei Grazias Freundin Fanny, die im Hexen schon wesentlich weiter als Grazia war, ein Hochglanzmagazin, das diese aus der Zukunft mitgebracht hatte.
Sie nahm es vorsichtig in ihr Maul und legte es Grazia in den Schoss.
Grazia, die genau wusste, dass Luna intelligent und um ihr Wohlbefinden bemüht war, lieh sich die Zeitschrift von Fanny aus, damit sie sie in Ruhe zu Hause studieren konnte.

Ein dunkelblauer Nachthimmel mit Sternen und der Milchstraße.
Das Bild wird unten gesäumt mit der schwarzen Silhouette von Bäumen.

Sie genoss den Nachhauseflug. Der Wind, der an ihr vorbei sauste und die frische, würzige Nachtluft im Wald klärten ihre Gedanken.
Luna, die vor ihr auf dem Besen saß, ließ ihre Zunge aus dem Mäulchen hängen. Schon während des Fluges überlegte Grazia, was wohl dieses Wort „Ordnungscoach“ auf der Titelseite des Magazins bedeuten mochte.

Als sie von ihrem Besen stieg und gerade ihr Häuschen betreten wollte, fiel ihr Blick erneut auf die Titelseite. Der Ordnungscoach (ihr Name war Sibylle Bauer) wurde mit folgendem Spruch zitiert:
„Wenn ich vor meiner eigenen Haustür kehre, habe ich weniger Grund über andere zu schimpfen.“
Peinlich berührt schob Grazia vorsichtig ein paar Staubnester mit ihren Zehen zur Seite.
„Aber gar nicht mehr lästern? Über manche Leute muss man einfach schimpfen. Außerdem macht das doch Spaß… Wenigstens ein bisschen?!“
Trotzdem war sie verunsichert. Sie holte einen Besen und kehrte vor ihrer Tür.
Im Häuschen angekommen, legte sie diese merkwürdige Zeitschrift erstmal in die Ecke. 

Grazia war aber vor allem eines: neugierig.
Und damit war sie auch offen für Neues.
Und so machte sie es sich ein paar Tage später mit einer Tasse Kräutertee auf der Bank vor ihrem Hexenhäuschen gemütlich.
Das Rezept hatte sie von ihrer Oma und immer, wenn sie den Tee trank, hatte sie das Gefühl, dass ihre Oma ganz nah bei ihr war.
Sie hatte einmal gehört, dass Verstorbene uns nie wirklich verließen, sie wären für immer in unseren Herzen. Den Satz hatte sie nie verstanden. Für sie war es eher der Geruch des Tees, der ihre Oma neben sie auf die Bank setzte. 

Auf einem Hoilztisch steht ein Schälchen mit Wasser.
Darinnen schwimmen rosarote Blüten und grüne Rosmarinnadeln.
Um das Schälchen herum befinden sich verschiedene Blumen.

Von ihrem Platz aus hatte sie einen schönen Blick auf ihren Teich, in den sie nun ihre Zehen streckte, und ihren Garten, in dem sie liebevoll Gemüse, Salat und Kräuter angepflanzt hatte.
Dahinter hoben sich die dunklen Tannen majestätisch empor.
Diesen Blick hatte sie auch aus ihrem Küchenfenster und sie liebte ihn. 

Luna hüpfte neben ihr auf und ab wie ein Fuchs, der ein Kaninchen entdeckt hatte. Was sie wohl roch? Dann trank sie aus dem Teich und legte sich neben Grazia ins Gras. 

Durch den grünen Wald scheint die Sonne. Ihre Strahlen zeichnen sich jeweils voneinander ab.

Ein paar Sonnenstrahlen drangen durch das Dickicht des Waldes und kitzelten Grazia in der Nase.
Sie blickte vergnügt nach oben auf das hübsche Bild, das Wipfel und Sonnenstrahlen malten.
Es sah aus wie glitzernde Juwelen, umgeben von Smaragden.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Zeitschrift zu.

Zuerst wollte sie wissen, was es mit diesem Kehren auf sich hatte.
Sie suchte, bis sie die Stelle fand, an der es erklärt wurde.

„Wenn wir uns über andere Menschen aufregen, hat das in der Regel mit uns zu tun.“

„Au weia… Ich weiß gar nicht, ob ich das wissen will. Was hast du mir denn da für eine Zeitschrift gebracht, Loony?“

In der Wiese sitzt ein hellgrauer, wuscheliger Wolf mit Hundeblick.

Luna hob den Kopf und demonstrierte einen so unschuldigen Hundeblick, dass Grazia lachen musste.
„Schon gut. Ich weiß ja, dass du’s gut meinst.“

Sie las weiter:
„Unsere Erregung wird dabei von einem der beiden folgenden Verhaltensweisen getriggert:

    1)    Verhalten anderer, das wir auch haben und an uns verurteilen.


    2)    Verhalten anderer, das wir gerne hätten, uns aber nicht erlauben.

ein Projektor mit Dias

Der Fachbegriff dafür lautet „Projektion“:
Wir werfen Gewünschtes und Ungewünschtes von uns wie ein Projektor auf die Leinwand unseres Gegenübers und greifen es dort an.

Damit stellen die Dinge, über die wir uns aufregen, wertwolle Hinweise dar:
Anhand von ihnen können wir uns darüber bewusst werden, wo wir uns verurteilen und was wir uns verbieten.
Beides steht uns im Weg, wenn es darum geht, glücklich zu werden.“

„Ach herrje… Das ist ja wirklich… Hm… also darüber muss ich nochmal genauer nachdenken. Jetzt erstmal zum Anfang des Artikels.“

Sie blätterte zurück und las:
„Suchen Sie auch einen Ordnungscoach in München?
Unsere Weltstadt mit Herz umfasst mittlerweile 1,5 Millionen Einwohner.
Der Zugang zu Konsum ist groß, der verfügbare Wohnraum klein.
Dazu kommt  immer größer werdender Stress, der noch dadurch erhöht wird, dass immer mehr Menschen auf immer engerem Raum zusammen leben. So kann man heutzutage kaum noch mit dem Radl auf der Leopoldstraße fahren ohne einen Herzinfarkt zu riskieren. 

Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen nach neuen Lösungen suchen und sich wenigstens in ihrem Heim einen Ort der Behaglichkeit und des Wohlgefühls herrichten möchten.
Da Unordnung und ein „Zuviel an allem“ diesem Wunsch diametral gegenüber stehen, sind immer mehr Menschen auf der Suche nach einem Ordnungscoach in der Nähe.“ 

„Was?!“, dachte sich Grazia. „Munichen wird in der Zukunft so viele Menschen beherbergen?! Du heilige Hexenkugel – das kann ich mir gar nicht vorstellen!
Und was ist dieses „Radl“?
Rollen die Menschen in der Zukunft etwa Räder auf der Straße hin und her?!“
Und was war nun dieser Ordnungscoach – das Wort „Coach“ hatte sie noch nie gehört, das Wort „Ordnung“ – klar, von ihrer Mutter, gefühlte 1.000 mal. 

Ein Blick auf die Häuser von München von oben.
Im Hintergrund ein bunter Abendhimmel mit Wolkenschicht.

Sie las weiter:
„Ordnung und eine bessere Struktur im Haushalt zu etablieren, stellt für meine Kundinnen und Kunden eine enorme Entlastung im Alltag dar.
Sie sparen Zeit beim Suchen und der Überblick entspannt das Gehirn. 

Außerdem bilden Ordnung, Atmosphäre und Einrichtung ein Gesamtpaket.
Sie können ein Gefühl von „Zuhause“ vermitteln und einladen.
Deshalb gebe ich meinen Kundinnen und Kunden ein individuell auf sie zugeschnittenes Werkzeug an die Hand, mit dem sie ihr Zuhause in einen gemütlichen und harmonischen Wohlfühlort verwandeln können.“ 

„Aha – also haben die in der Zukunft auch noch Kraftorte…“, überlegte sie. 

Die unteren 50 cm eines dicken Baumstammes.
Er ist mit hellgrünem, frischem Moos bewachsen.
Daneben sieht man Äste von anderen Sträuchern mit von der Sonne hellgrün durchleuchteten Blättchen.

Und weiter:
„Sie sprechen wenig oder kein Deutsch? Kein Problem – ich biete Ordnungscoaching auch auf Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch an.“ 

Grazia verstand nicht, warum hier in Deutschland jemand nicht deutsch sprechen würde.
„Wieso bietet Frau Bauer andere Sprachen an? Wer braucht so etwas? Hm, vielleicht wird das in der Zukunft anders sein…“ 

Der weitere Text war folgendermaßen gegliedert:
Der Ordnungscoach nannte Fragen von Kundinnen und gab dazu aus seiner Erfahrung Antworten.
„Aber woher weiß sie diese ganzen Fragen? Kann sie Gedanken lesen? Ist sie gedanklich oder auf eine andere Art mit diesen Frauen vernetzt?“
Diese Zukunft erschien Grazia immer interessanter. 

Wie räumt man (richtig) auf? 

Als erstes interessierte die Leserinnen wie man denn nun richtig aufräumte:

„Was machen ordentliche Menschen anders?“
„Was tun, wenn man keine Ordnung halten kann?“
„Wie schaffe ich es Ordnung zu halten?“ 

Es ist wie ein kleiner Setzkasten in Form eines Holzhäuschens.
In seinen Abteilen sind bunte Fläschchen, Halbedelsteine, Büchlein und ein Kerzlein geordnet.

„Ordnung kann man leichtesten halten, wenn man alle Dinge einer Kategorie an einem Ort platziert.
Es ist leichter, sich den Ort einer Kategorie zu merken, als den hunderter Gegenstände.“ 

„Das stimmt“, dachte sie. „Eigentlich logisch.“ 

„Entsprechend leicht ist es, die Gegenstände nach Gebrauch zurück zu legen.
Dies ist der wesentliche Punkt beim Ordnung-Halten. 

Um zu dieser Kategorisierung zu kommen, hat sich folgende Strategie bewährt: 

    1)    Man holt alles, nach Kategorien getrennt, aus den Schränken.“ 

„Wie – alles?!“ Grazia war geschockt. 

    2)    „Was man nicht mehr braucht, sortiert man aus.“ 

„Ja du lieber Fliegenpilz!“ 

    3)    „Man bestimmt für jede Kategorie den besten Platz und ordnet sie dorthin. 

Also eigentlich ganz einfach.“ 

„Genial – kann ich also selber machen.“ 

„Es sei denn – einem fehlt die nötige Motivation.“ 

„Spinnenbein und Krötenschleim!“
Das war ihr Problem, die leidige Motivation! Wenn sie die nur hätte!
Sie raufte sich die Haare. 

Ordnungscoach 

„Also angenommen ich würde mir Hilfe holen (wobei sich mir bei dem Gedanken alle Nackenhaare aufstellen… Aufräumhilfe! – wie peinlich ist das denn?!) –

was macht dann so ein Ordnungscoach?

Steht er mit der Peitsche daneben und schlägt den Takt, in dem ich etwas herausholen, aussortieren und wieder rein räumen muss? Also ich weiß nicht…“ 

Ein Dirigent bei der Arbeit.

Zum Glück wurde es näher erklärt:
„Ich begleite Sie an dem Tag durch den gesamten Prozess.
Zum einen bringe ich durch meine Liebe zu Details, Prozessarbeit und Ästhetik die nötige Motivation und Ausdauer mit. 

Zum anderen bin ich Ihnen durch mein Psychologiestudium ein polierter, klarer Spiegel, wenn Sie aufgrund von Gefühlen, Erinnerungen oder Verletzungen keine Klarheit über ihre Beziehung zu einem Gegenstand haben.“ 

Jetzt war Grazia ratlos: Das Wort „Psychologie“ konnte sie sich nicht erklären.
Wo kam das nun wieder her – aus dem Griechischen? Der Name „Sibylle“ war schließlich auch griechisch… 
„Du meine Güte!“, dachte sie sich. „Leben denn in der Zukunft alle Nationen auf einem Haufen? Naja, aber griechisch sieht die auf dem Bild nicht aus.
Und ich heiße ja auch Grazia und bin keine Italienerin, sondern Deutsche.
Warum musste mir meine Mutter diesen Namen geben… nur weil sie einmal in Italien auf Reisen war… und dann auch noch einen Namen, der nicht zu mir passt…“ 

Als sie mit Grummeln fertig war, wandte sie sich wieder der Zeitschrift zu. 

„Ich habe an der Universität gelernt, zwischen meinen eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer Menschen, die ich in mir spüre, zu unterscheiden. 

Wo ich spüre, dass Ihnen ein Gegenstand nicht gut tut oder schadet, biete ich Ihnen die Möglichkeit zu einem unterstützenden „Intermezzo:
Das können Verständnis, ein kurzes Gespräch, die Verarbeitung von Gefühlen (z.B. Trauerarbeit), Klarheit, Bewusstwerdung oder manchmal auch ein sanfter Motivationsschub zum Loslassen sein. 

Wenn Gefühle gespürt und Situationen bewusst angesehen werden, sind sie (und dadurch die mit ihnen in Zusammenhang stehenden Gegenstände) oft von alleine bereit zu gehen. 

Ein kleines Mädchen drückt einen Hasen.
Liebe

Wichtig ist, dass Sie wissen, dass Sie nichts weg geben brauchen, wovon Sie sich nicht trennen wollen.
Am Ende entscheiden allein Sie, was bleibt und geht.“  

„Aha, na das ist ja schon mal beruhigend.
Und stimmt: Manche Dinge will ich wirklich nicht ansehen, weil ich Angst vor den Erinnerungen und Gefühlen habe, die dabei hoch kommen könnten.
Das scheint wohl diese Psychologie zu sein… interessant, was die Menschen in der Zukunft alles finden werden…“ 

Und weiter:
„Ebenfalls hilfreich bei diesem Prozess der Selbsterkenntnis ist die Einnahme einer anderen Perspektive.“ 

„Schon wieder das mit der Perspektive… meine Mutter würde gut in die neue Zeit passen…“, dachte Grazia. 

„Teil meiner Ausbildung war jahrelange Selbstreflexion. Das ist die Einnahme einer anderen Perspektive. Am besten ist die Einnahme einer Vogelperspektive, da diese uns am Weitesten bringt.“ 

Ein grauer Papagei mit roten Schwanzfedern sitzt auf einem Seil.
Er hält den Kopf achief und blickt mit einem Aufge nach unten.

„Sollte ich mir doch einen Raben zulegen?“, überlegte die Hexe.
Luna hob den Kopf und sah sie vorwurfsvoll an.
„Nein, nein, Loony, keine Sorge, du bist meine Begleiterin.“
Sie strich ihr liebevoll über das weiche Fell. 
Beruhigt legte Luna den Kopf wieder auf ihre Pfoten und Grazia las weiter.

„Selbstreflexion braucht Übung, Mut und schonungslose Offenheit.
Schonungslos bin ich Ihnen gegenüber nicht.
Aber ich war es gegenüber mir selbst, denn das hat mich weit gebracht. 

Als Ordnungscoach ermögliche ich Ihnen die Einnahme meiner geschulten, psychologischen Perspektive auf Sie und ihre Wohnung.
Da Ihre Wohnung Ihr Spiegel ist, haben wir die doppelte Wirkung.
Dadurch können Sie effektiv mit dem Perspektivenwechsel beginnen.“ 

„Hm, da eröffnet sich mir ja ein ganz neuer Horizont…“
Grazia kam ins Grübeln. Das klang schon interessant. Sie würde gerne mehr über sich erfahren.
Und wenn sie während des Ordnungscoachings lernt, wie das geht, könnte sie hinterher selbstständig damit weiter machen. 

„Ein Coach ist also eine Art Begleiter oder Vormacher. Komischer Beruf… den verstehe ich noch nicht so ganz. Aber macht nix. Interessant klingt es alle mal.“ 

Ordnungscoaching

Weiterhin beschreibt die Psychologin,

wie genau das Ordnungscoaching bei ihr stattfindet:

Gemeinsam holen wir alles, nach Kategorien getrennt, aus den Schränken hervor.
Dabei ist die Reihenfolge wichtig:

  • Kleidung

  • Bücher

  • Dokumente“,
    was das nun wieder war  – vielleicht Schriftstücke mit Zaubersprüchen?

  • diverse kleinere Dinge

  • Küche

  • Nostalgisches.“ 
Ein Kistchen, aus dem bunte Nebelschwaden und magischer Elfenstaub heraus kommen.
Davor stehen Kerzen, Fläschchen, Schriften und ein Harry-Potter-Buch.

„Merkwürdig“, dachte sich Grazia, „warum muss ich bei meiner Gewandung anfangen und mein ganzes Haus ausmisten, wenn ich doch hauptsächlich meine Kräuter in Ordnung bringen möchte?“ 

Aber auch das wurde erklärt:
„Zum einen hat Unordnung die Angewohnheit, von Zimmer zu Zimmer zu wandern.“ 

„Wir sprechen hier schon noch von einem Zustand?“, grübelte sie.
„Oder seit wann hat Unordnung Beine? Diese Texte aus der Zukunft sind ganz schön anspruchsvoll.“ 

Ein Fluss fließt durch dunkelgrüne Felsen durch. 
In der Mitte sieht man Bäume mit erfrischend hellgrünen Blättern.

„Zum anderen“, las sie weiter, „ist es aus psychologischer Sicht so:
Das Einhalten dieser Abfolge unterstützt den Prozess des Loslassens.
Dies erlebe ich immer wieder.
Bei Kleidung fällt Wahrnehmung von Gefühlen am Leichtesten, weil sie nah an unserem Körper ist. 

Bis wir bei den schwierigeren Bereichen angelangt sind, sind Sie geschult in Wahrnehmung und Unterscheidung von Gefühlen und Reaktionen auf die Gegenstände. 

Außerdem geraten wir mit jedem Gegenstand mehr und mehr in Fahrt.
Wir kommen in einen natürlichen Fluss, der uns unterstützt, so dass auch schwere Bereiche unerwartet leicht fallen. 

Eine meiner Klientinnen geriet so sehr in Fahrt, dass sie zwischen zwei Ordnungscoachingtagen am Abend noch ihre Steuerunterlagen ordnete – eine Tätigkeit, die sie seit Monaten vor sich her geschoben hatte.“ 

„Oh nö… Steuern gibt es in der Zukunft auch noch?! Wieso haben sie das nicht abgeschafft! So schlau scheinen die Menschen der Zukunft doch nicht zu sein!“ 

Sie las weiter:
“Bei Dokumenten ist es weniger die persönliche Anhaftung, als eher der Wunsch nach Sicherheit, der sie uns aufheben lässt. 
Vor den Dokumenten kommen Kleidung und Bücher.
Mit jedem Gegenstand dieser beiden Kategorien, die Sie in der Hand hatten, stellen Sie mehr und mehr Kontakt zu sich her.
Auch Ihr Vertrauen in ihre Urteilskraft wächst mit jedem Mal.
Beides gibt Ihnen mehr Selbstsicherheit und durch diese können Sie dann bei den Dokumenten besser loslassen. 

Auch die Klarheit ist bis dahin schon stärker geworden. Diese kommt uns zu Hilfe bei einem Berg an unterschiedlichen, ungeordneten Blättern. 

Hinweis: Manche Dokumente müssen in Deutschland aufgehoben werden. Diese bleiben.“ 

„Hm, das mit den Dokumenten… vielleicht sollte ich auch mal meine Zaubersprüche alphabetisch ordnen…
Dann täte ich mir leichter, wenn ich sie brauche…
Vor allem diesen einen Liebeszauber, den finde ich bis heute nicht“, grummelte sie in ihren nicht vorhandenen Bart (zum Glück hatte Grazia keinen Bart, denn ihre Urgroßmutter hatte einen gehabt! Aber die hatte auch Haare auf den Zähnen…).  

Eine Frau mit weißem Kleid und Krone ist umgeben von Zetteln, die um sie herumwirbeln.
Sie steht in einem verfallenen Burghof.

„Der Fluss, der uns beim Loslassen unterstützt, ist natürlich. Sie brauchen keine Angst haben, dass Sie hinterher bereuen, sich von etwas getrennt zu haben. Außerdem schlafen Sie noch eine Nacht darüber.
Erst danach kümmern Sie sich um einen neuen Platz für die aussortierten Sachen. 
Eine Liste mit Stellen, die Aussortiertes annehmen, bekommen Sie von mir. 

Auf besonderen Wunsch ist es in einzelnen Fällen gegen Aufpreis möglich, dass ich eine begrenzte Menge mitnehme und mich um die Entsorgung kümmere. Sollten Sie dies wünschen, lassen Sie es mich vorher wissen.“ 

„Hm…“, grübelte sie, „es scheint also doch eine ganz gute Idee zu sein, sich an diese Reihenfolge zu halten. Naja, ausprobieren kann ich es ja mal. Schließlich scheint diese Frau in der Zukunft eine Expertin zu sein.“ 
Und ihr Gewänderschrank war auch schon recht voll.

Auf einem alten Holztisch liegt ein altes Buch.
Es ist in der Bitte geöffnet.
Die Seiten sind abgegriffen und vergilbt.
Darauf liegt ein Schlüssel und eine weiße Feder.
Davor liegt ein Zauberstab,
Dahinter stehen Fläschchen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten und eine Kerze.

Aber von ihren heiß geliebten Büchern würde sie mit Sicherheit kein einziges weggeben.
Das schwor sie sich.
Sie würde es diesem Ordnungscoach schon zeigen.
Hier in der Vergangenheit (und überhaupt in ihrem Haushalt) herrschten andere Regeln. 

Und was war da geschrieben – man bereut hinterher nicht, dass man etwas weggegeben hat.
Naja, ihr Wort in Gottes Ohr… Ob es den dann überhaupt noch in der Zukunft geben würde, Gott? Ihr war aufgefallen, dass hinter vielen Wörtern in der Zeitschrift ein „-in“ stand. Außer bei dem Wort Coach. Ob man das auch weiblich machen könnte…? Ein deutsches Wort war es ja nicht.
Aber schon interessant mit diesem „-in“. Wenn das die Leute im Dorf wüssten… Und was würde in der Zukunft aus Gott werden? Ob da dann auch irgendwann ein „-in“ dran gehängt würde? Und ob er dann ganz abgeschafft würde?
Naja, aber die Steuern hatten die Menschen der Zukunft ja auch behalten…
Auf jeden Fall sehr spannend, diese Zukunft… 

Sie nahm sich vor für die anstehende Hexenprüfung besonders gut zu lernen, damit sie bald, wie ihre Freundin Fanny, in die Zukunft reisen konnte.
Dann würde sie sich das alles einmal ganz genau anschauen. 

Es ist dunkel.
Auf einer Hand liegt eine Lichterkette, deren Lichter aus hellen Punkten bestehen.
Im Hintergrund sind verschwommene, türkise Kreise zu sehen.

„Nach dem Aussortieren überlegen wir uns einen sinnvollen Platz für jede Kategorie und ordnen alles ein. 

Was sollten Sie mitbringen?  

    1)    Die Bereitschaft für und den Wunsch nach Veränderung. 

    2)    Die Bereitschaft die Verantwortung für Ihr Leben zu übernehmen.“ 

„Oh! Das kann ich gut – Veränderung liebe ich. Und das mit der Verantwortung… hm, mal sehen“, dachte Grazia. 

„Bei dieser Art des „psychologischen Ausmistens“ geht es nicht darum, am Ende der vorhandenen Stunden einen vorher festgelegten Bereich fertig geordnet zu haben. Dieser Druck würde erneuten Stress verursachen.  

Stattdessen geht es um folgende Schwerpunkte: 

Alles aus Stein geformt:
Eine verzierte Säule und Bücherrücken.
Daran gelehnt ist ein großes Rad mit acht Speichen.

1)    Wir erleichtern Ihre Seele, indem wir alles aussortieren, was Sie nicht benötigen und was ihre Seele beschwert. 

2)    Wir erleichtern Ihren Kopf: Klarheit im Denken ist eine natürliche Folge des Ausmistens. 

3)    Der Prozess des bewussten Ausmistens und Ordnens gibt dem Rad Ihrer Veränderung und Entwicklung einen kraftvollen Schub.     

Wenn Sie ihr Zuhause nach einer gewissen Zeit fertig ausgemistet und geordnet haben, bemerken Sie folgende erfreuliche „Nebenwirkungen“: 

1)    Sie sparen sich Zeit beim Suchen. 

2)    Sie sparen Geld, weil Sie wissen, was Sie bereits zu Hause haben und weil Sie wissen, was Sie eigentlich nicht brauchen. 

3)    Sie empfingen weniger Stress. 

4)    Sie fühlen sich in ihrem Zuhause wohler.“ 

Je mehr Grazia las, desto mehr begeisterte sie die ganze Sache. 
Und sie las weiter, gespannt, was es noch alles über diese neuartige Weise mit seinem Hab und Gut umzugehen, zu erzählen gab. 

Vor dem Hintergrund von grünen Bäumen befindet sich ein kleiner Fluss, der sich dann als Wasserfall ergießt.
Durch die Bäume dringen Sonnenstrahlen, die den leichten Nebel zum Leuchten bringen.

Menschen, die keine Ordnung halten können 

Viele Kundinnen machten sich Sorgen und fragten:

„Warum fällt es mir so schwer Ordnung zu halten?“
„Warum kann ich nicht aufräumen?“ 

Die Psychologin, die sich gern selbst reflektierte, gab darauf folgende Antwort: „Die Frage scheint mir weniger, warum jemand nicht gern aufräumt, sondern eher: Warum gibt es ein paar Verrückte, denen Aufräumen offensichtlich Spaß macht?“ 

Grazia musste lachen. Sie war überrascht – mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Gleichzeitig war sie erleichtert. 

„Was auch immer der Grund – wenn man darüber nachdenkt, ist Folgendes logisch: Um von einem Extrem weg und in die Mitte zu kommen, braucht es einen Menschen vom anderen Extrem.“ 

„Stimmt“, dachte sie. „Das macht Sinn.“ 

„Wenn wir keine Ordnung halten können, ist dies oft einfach folgenden Umständen geschuldet:

1)    Uns fehlt die Zeit. 

Viele kleine Taschenuhren hängen von der Decke.

    2)    Wir sind so überlastet mit Reizen (Werbung, Radio, Social Media, Nachrichten, Arbeit), dass es zu viel wäre, uns diesen Reizen auch noch auszusetzen, selbst wenn es zu unserer Entlastung beitragen würde. 

„Ui – was sind das denn alles für neuartige Reize in der Zukunft…?!“, wunderte sich Grazia. 

    3)    Uns fehlt der Überblick. 

    4)    Uns fehlt die Motivation. 

    5)    Wir sind überfordert von dem, was sich angesammelt hat.
Gerade einfallsreiche, kreative Menschen mit vielen Ideen und Interessen, sind schnell umgeben von vielen Dingen.
Das berühmte „kreative Chaos“ ist kein Mythos, sondern eine logische Folge.
Dass dies notwendig und wohlig ist, bezweifle ich allerdings.
Stattdessen ist es so: Unordnung und „Viel“ sind für den Menschen eine Belastung, es verursacht Stress.
Doch meistens können wir das gut verdrängen. Darin ist die Seele Meister. Solange, bis es uns über den Kopf wächst. Dann lässt es sich nicht mehr zur Seite schieben. Aber dann ist es oft zu spät: Es ist dann zu viel auf einmal.“

Es ist Nacht mit dunkelblaumen Himmel.
Eine Wiese und drum herum Bäume. 
Von einem Baum hängt eine Lampe, die orange leuchtet.

Mittlerweile hatte die Dämmerung eingesetzt und obwohl es Sommer war, kühlte es im Wald schnell ab.
Grazia holte sich eine warme Decke aus ihrem Hexenhäuschen und wickelte sich darin ein. Sie hatte sich auch ein Schälchen mit Nüssen und Beeren aus dem Wald mitgenommen und begann genüsslich daran zu knabbern.
Luna hatte einen Knochen bekommen, an dem sie zufrieden kaute.

Über ihnen rief eine Eule.
Im Wald begannen kleine Lichtlein auf und ab zu hüpfen. Grazia schaute ihnen eine Weile zu – sie liebte es, den Feen beim Tanzen zuzusehen.
 Dann wandte sie sich wieder ihrer Zeitschrift zu. 

Ein großer weiß-grauer Uhu sitzt im dunklen Wald auf einem Baumstumpf.
Hinter ihm scheint das silberne Mondlicht durch die Bäume.

Was sagt Unordnung über einen Menschen aus? 

Im nächsten Absatz ging Frau Bauer näher auf die Frage der Kundinnen ein, die wissen wollten:

„Was sagen Chaos und eine unordentliche Wohnung über einen Menschen aus?“ 

„Prinzipiell ist wichtig zu wissen, dass dies sehr individuell und bei jedem anders ist. 

Ein runder Spieghel mit goldenem Rahmen.
Die Wand im ihn ist pink-rosa.
In ihm sieht man die Spitzen einer Zimmerpalme und deren Schatten an der Wand.

Grundsätzlich ist es so:
Die Wohnung spiegelt uns und den Zustand unserer Seele.
Warum ist das so?
Weil wir diejenigen sind, die die Gegenstände dort untergebracht haben.

Selbst wenn es sich dabei um Geschenke von anderen handelt:
Wir sind diejenigen, die die Geschenke angenommen haben und in unserer Wohnung aufbewahren.
Bei schönen Geschenken ist das prima. Bei Geschenken, über die wir uns nicht gefreut haben, ist es ein Zeichen dafür, dass wir uns gegen äußere Reize nicht ausreichend abgrenzen können.

Aber Unordnung kann verschiedene Ursachen haben:

    1)    mangelnde Abgrenzung 

    2)    Chaos im Kopf 

    3)    Überforderung 

    4)    Unbewusstheit 

    5)    eine Schutzmauer, durch die man nur noch wenig mitkriegt 

    6)    Manche Menschen sind vergesslich, zerstreut oder sie verlegen Dinge.
Mit ihnen ist ansonsten alles in Ordnung.
Jeder Mensch kann im Innen oder Außen etwas haben, das Druck auf ihn ausübt.
Er kann mit dieser Drucksituation gut umgehen und hat auch sonst keine Probleme. Aber an dieser einen Stelle (der Unordnung) zeigt sich der Druck.
Gerade diese Menschen können die Ordnung gut halten, nachdem sie sie mit einem Ordnungscoach in ihrer Wohnung etabliert haben. 

Bei der Frage was Chaos über einen Menschen aussagt, kommt es auch stark auf das Ausmaß an.
Wenn die Haufen so groß sind, dass man kaum mehr die Wohnung betreten kann, ist dies schon ein Hinweis auf eine Seele, die mehr leidet, als andere. 

Das zu behandeln und festzustellen, was genau das Thema ist, ist Aufgabe eines Psychotherapeuten. Es könnte zum Beispiel das Messie-Syndrom vorliegen. 

Eine Therapeutin sitzt auf dem Stuhl.
Er hat Schreibmaterial auf dem Schoß.
Gegenüber sitzt ein Klient auf einem Sofa.

Hinweis:
Diplom-Psychologen (mehrjähriges Universitätsstudium) oder psychologische Berater (einjährige Ausbildung) sind keine Psychotherapeuten.
Der Titel „Psychotherapeut“ ist geschützt. Man kann ihn durch ein Universitätsstudium (Psychologie, Medizin) zuzüglich einer mehrjährigen Therapeutenausbildung erwerben.

Eine Frau mit schwarzen Haaren sitzt auf einem Stuhl.
Ihre Beine sind angezogen.
Ihr Kopf ist darin vergraben.
Ein Arm hält ihre Beine, der andere den Kopf.

Ähnlich ist es bei Menschen mit Depressionen. Die unordentliche Wohnung ist der Spiegel ihres inneren Leids.
Die Tatsache, dass depressive Menschen nicht aufräumen können, kommt daher, dass sie physisch und psychisch nicht die Kraft dazu haben.
Auch hier ist es nötig einen Psychotherapeuten aufzusuchen. 

Interessant finde ich folgende Erfahrung:
Egal, was der Grund für ihre Unordnung ist und egal, wie wenig sie den Menschen aufgefallen ist:
Alle reagierten positiv, wenn nichts mehr herum lag und ihre Gegenstände ästhetisch angeordnet waren. 

„Aha, das muss ich jetzt mal so hinnehmen“, dachte sich Grazia.
„Einige der Wörter verstehe ich nicht und schon wieder erscheint dieses „psychisch“. Das scheint in der Zukunft weithin bekannt zu sein.
Interessant, wie die Leute da denken.“ 

Wie wirkt sich (Un-)Ordnung auf die Psyche aus? 

„Egal, was der Grund für Unordnung ist, die Auswirkungen auf die Seele sind bei allen Menschen gleich:
Die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol. 
Je mehr Gegenstände herum stehen, desto mehr Kortisol wird vom Körper ausgeschüttet. Das bedeutet, dass wir noch mehr Stress haben, als ohnehin. 

Die Folgen von Stress und Unordnung: 

    1)    Stress macht uns auf Dauer krank. 

    2)    Stress beeinflusst unsere mentale Gesundheit: 

  *   Unwohlsein 

*    Müdigkeit

*    Niedergeschlagenheit 

Eine Frau mit blonden Haaren sitzt in der Ecke eines Raumes.
Sie hat die Beine angezogen, die Arme drum herum und den Kopf gesenkt.

    3)    Stress und Unordnung bewirken, dass wir schlechter schlafen. 

    4)    Stress und Unordnung wirken sich negativ auf unser Essverhalten aus. 

    5)    Unordnung verhindert Konzentration, weil unser Gehirn sich von herumstehenden Dingen ablenken lässt. 

    6)    Unordnung macht viele Menschen unglücklich:    

              *    Wir fühlen uns nicht geborgen. 

              *    Wir zweifeln an uns.   

              *    Wir haben das Gefühl nicht nur die Unordnung, sondern auch unser Leben weniger im Griff zu haben.
Dies löst weitere Selbstzweifel aus. 

Menschen nehmen diese Auswirkungen unterschiedlich stark wahr. 

Besonders Hochsensible tun sich leicht sie wahrzunehmen und können dadurch schneller etwas ändern. 

Aber egal, ob wir sie wahrnehmen oder nicht, die Auswirkungen sind da.
Das zeigt schon oben genannte Beobachtung, wie stark Menschen auf Ordnung und Ästhetik reagieren:
Ihre Augen weiten sich, sie atmen hörbar aus, sie seufzen, manchmal kommen auch Ausrufe wie „wow“, „schön“ oder einfach ein saftiges „ahhhh“.
Diese Ausrufe kommen aus der Tiefe der Seele. Das ist deutlich spürbar. 

Ein Schloss. Daneben Bäume.
Davor eine Fontäne und kleine Bäumchen, die zugeschnitten sind, ie spitze Hütchen.
Alles ist symmetrisch angeordnet.

Auch auf der großen Leinwand können wir sehen, dass die Filmemacher wissen, wie ihr Publikum reagiert und was es gerne sehen möchte.
Viele der Einstellungen und Bilder folgen einer ästhetischen und symmetrischen Anordnung, gerade wenn von Prunk und Reichtum erzählt wird.
Unordnung kommt meist eher dann, wenn gezeigt wird, dass ein Einbrecher gerade die Wohnung verwüstet hat.“ 

„Filme?“, wunderte sich Grazia. „Was sind denn Filme?“ 

Daran anschließend ging es um die Frage

warum Ordnung glücklich macht:

„Durch den Wegfall der Überreizung und des Chaos produziert der Körper zum einen weniger Kortisol.

In einer kleinen Box sitzen zwei runde, gelbe Smilies aus Stoff. 
Der eine lächelt (Mund geschlossen) und der andere lacht (Mund offen).
Die Box ist bedruckt mit vielen kleinen Smilies mit unterschiedlichen Gesichtern.

Zum anderen schüttet das Gehirn, wenn die Umgebung unserem Auge gefällt, das Glückshormon Serotonin aus.“ 

„Was ist das denn nun wieder? Ein Hormon? Hoffentlich ist hier nicht die Rede von kleinen Würmchen, die dann in meinem Gehirn herum laufen!“
Sie schüttelte sich. Glücklich wollte sie sein, aber nicht um jeden Preis. 

„Was machen Ausmisten und Aufräumen mit der Psyche? 

Abgesehen von den praktischen Folgen, dass wir Zeit, Geld und Nerven sparen, bringen Ausmisten, Aufräumen und Ordnung so gewichtige Vorteile für unser Seelenleben mit, dass man es verschreiben müsste: 

    1)    Klarheit im Kopf 

    2)    Klärung der Beziehung zu den Gegenständen und den Personen sowie Situationen, die sie repräsentieren 

    3)    Erleichterung der Seele 

    4)    Das Rad der Veränderung und Weiterentwicklung bekommt einen kraftvollen Schub.“ 

„Hm, ja, das will ich schon alles haben. Das hört sich gut an…“, freute sich Grazia. 

„Aber puh, ganz schön viel Text“, dachte sie.
„Aber wenn ich jemanden in meine Schränke und meine Seele kucken lasse, will ich vorher ganz genau wissen, worauf ich mich einlasse. 
Das Ganze muss ich jetzt erst mal verdauen…“ 

Aus Neugier blätterte sie weiter in der Zeitschrift und erst jetzt fielen ihr die merkwürdigen Gewänder und Farben in den Gesichtern der Frauen auf. 

Es ist Nacht. Auf einem Mäuerchen liegt eine aufgeschlagene Zeitschrift. Daneben steht eine Kerze. Daneben sind pinke Blumen.

Grazia war eine Frau, die es liebte, neue Sachen auszuprobieren.
Und so ging sie in ihr Häuschen und hexte sich solch ein „Outfit“ herbei.
Das war schon wieder so ein Wort, das sie nicht verstand. Was war ein Outfit? „Raus“ und „passen“ – war das nicht ein Widerspruch?
Hm, das könnte erklären, warum dieses Coaching in mehreren Sprachen angeboten wird. Die Welt scheint sich wirklich stark zu verändern. 

Jedenfalls probierte sie das Outfit, aber das stellte sich als äußerst problematisch dar. Es fing schon damit an, dass sie kaum rein kam, so eng war es.
Vor allem diese Beinkleider… Beim Versuch, sie anzuziehen, wäre sie fast umgefallen…
Wenn Luna hätte lachen können, hätte sie sich auf dem Boden gekringelt. Grazia war sich sicher, dass sich ihre Maulwinkel verdächtig nach oben gezogen hatten. 

Ordnungscoach Preise 

Dann fiel ihr ein, dass sie ganz vergessen hatte, nach dem Preis zu schauen.
Vor lauter Aufregung hatte sie daran nicht mehr gedacht.
Also suchte sie nach der Frage

„Was kostet ein Ordnungscoach?“. 

Was stand da?
„700 Euro für einen Tag mit 6 Stunden.
Reisekosten werden ab einer Entfernung von 10 km ab München Schwabing mit 0,70€ pro km berechnet (hin und zurück).
Schreiben Sie mir eine E-Mail an kontakt@sibylle-aufraeumcoaching.de, um ein 15-minütiges kostenfreies Telefonat zu vereinbaren.“

 Grazia musste grinsen – wie war wohl die Umrechnung von Reisekosten in „Zeitreisekosten“? 
Aber was waren bloß diese Euros…? Sehr merkwürdig.

Die Nahaufnahme von hellgrünem Moos. Darüber unscharf dunkler Wald. 
Darinnen drei Schwammerl mit dünnem Stiehl und hellbraunen Hütchen.

 Vielleicht konnte sie ja auch mit ein paar Zaubertränken und Hexsprüchen bezahlen. Aber würde es in der Zukunft überhaupt Hexen geben? 
Oder vielleicht hatte die Psychologin ja eine Liebe für selbstgepflückte Schwammerl und Beeren aus dem Wald?

Zur Not würde sie einfach so eine Bank aufsuchen. Angeblich würde dort in der Zukunft das Geld gelagert – aber wieviel Geld passte auf so eine Bank? 

Das alles warf in ihrem Kopf so viele Fragen auf, dass sie das Thema erst einmal für eine Weile erfolgreich zur Seite schob.
Frau Bauer hatte in ihrem Artikel etwas von Verdrängung geschrieben.
Ob das das war? 

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich traute Frau Bauer zu kontaktieren.
Zudem brauchte sie ja ihre Freundin Fanny um die Frau Bauer in der Zukunft zu kontaktieren und Grazia war nicht gern auf die Hilfe anderer angewiesen.
Hier brauchte sie gleich die Hilfe von zwei Personen… 

Außerdem würde Fanny dann von ihrem Chaos erfahren…
„Ahhh! Mann, o Mann – oder soll ich jetzt schon mal anfangen und „Frau, o Frau“ sagen?!“ 
Und so ging einige Zeit ins Land, in der sie ihr Vorhaben erfolgreich von sich weg schob. 

Moos mit heruntergefallenen Tannennadeln
Dahinter befinden sich unscharf Nadelbäume.
Darauf steht ein Fliegenpilz mit rotem Häubchen und weißen Punkten.

Ordnungscoaching – es ist soweit 

Aber irgendwann war die Zeit gekommen – sie fühlte sich mutig und bereit, sich auf die Unterstützung anderer Menschen einzulassen.
Außerdem fühlte sie sich bereit für eine „ordentliche“ Veränderung in ihrem Leben.
Und so fasste sie sich ein Herz und flog zu ihrer Freundin Fanny.
Die half ihr natürlich gerne, die Psychologin in der Zukunft zu kontaktieren.

Frau Bauer, die selber eine Abenteurerin war, war von der Idee begeistert, in eine andere Zeit zu reisen und Grazia, Luna und ihr Häuschen im Wald zu besuchen. Und so vereinbarten sie einen Termin und machten sich gemeinsam an die (Prozess-)Arbeit. 

Sie verbrachten eine lustige, spannende und berührende Zeit miteinander und brachten das ganze Häuschen innerhalb weniger Tage auf Hochglanz.
Luna versuchte so gut es ging mitzuhelfen. Sie lief aufgeregt hin und her und trug schwanzwedelnd alles herbei, das irgendwie untergegangen war. 

Die Details darüber, was sie beim Ausmisten und Ordnen erlebten – erstaunlich und schön zugleich –, gingen Grazia zu nah, als dass sie öffentlich davon berichten wollte.
Diesen Teil der Geschichte darf jede Leserin durch ihr eigenes Erleben füllen. 

Nur so viel:
Schon am Ende des ersten Tages fühlte Grazia eine tiefe Zufriedenheit, vor allem mit sich selbst.
Sie erlebte ein Gefühl von Ruhe, Frieden und Stolz, das sie bisher in der Intensität nicht gekannt hatte.

Auch hatte sie das Gefühl, dass ihr Haus nun langsam zu ihrem Namen passte.
„Na wenigstens mein Haus“, dachte sie. 

Ein alter, hellblauer Apothekerschrank mit vielen Fächern.
Darin stehen, fein säuberlich geordnet Flaschen verschiedener Größe, mit weißen Etiketten und unerschiedlichen Inhalten.

So dauerte es nicht lange und sie lud ihre Freundinnen zu gemeinsamen Hexenexperimenten ein, woran sie viel Freude hatten. 

In ihrem Bücherschrank war nun auch Platz für ihre Glaskugel, die sie bei der letzten bestandenen Hexenprüfung bekommen hatte. 😉 

Und sie hatte Glück gehabt: Das Lieblingsmahl von Frau Bauer waren tatsächlich Schwammerl und Blaubeeren aus dem Wald.
„Manche Dinge ändern sich scheinbar doch nicht“, schmunzelte  Grazia. 

Aus Loony wurde im Laufe der Zeit Luna und so wurde aus einem tollpatschigen kleinen Wolfswelpen eine stolze Wolfsdame, die von den anderen Tieren zur Hüterin des Waldes ernannt wurde.
Sie hatte eine ruhige und kraftvolle Präsenz, wie der leuchtende Mond, der die weibliche Kraft und Tiefe repräsentierte und den sie durch ihr nächtliches Rufen ehrte.

Und wenn Grazia in die sanften Augen ihrer treuen Begleiterin blickte, sah sie im Spiegel von Lunas Seele ihre eigene Würde und Anmut und wusste:
Ihre Mutter hatte Recht gehabt. 

Im Wald steht auf buntem Laub majestätisch ein weißer Wolf und schaut in die Kamera.