Aufräumcoach München

Liebe Leserinnen und Leser,
obwohl es sich bei „Ordnung“ um einen Zustand und bei „Aufräumen“ um einen Prozess handelt, werden die Begriffe „Ordnungscoach“ und „Aufräumcoach“ in Deutschland synonym verwendet.
Damit ich unter beiden Suchbegriffen im Internet gefunden werde, habe ich jeweils ein eigenes Märchen geschrieben.
Es gibt noch weitere Begriffe, die synonym verwendet werden:
Ordnungsexpertin, Ordnungsberaterin, Aufräumhilfe, Aufräumservice etc.
All diese Begriffe sind rechtlich nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen.
Ablauf und Schwerpunkte finden Sie auf der Website des jeweiligen Coach.
Viel Spaß beim Lesen, (T)Räumen und Identität-Finden!
Es war … in einer Großstadt mit Herz.
Da lebte eine Business-Lady. Ihr Name war Lexi.
Lexi war sehr beschäftigt und viel unterwegs. Sie war oft auf Geschäftsreise und von überall hatte sie sich Andenken mitgenommen.
Auf ihrer letzten Chinareise hatte sie sich in eine kleine steinerne Drachenfigur verliebt. Die war ziemlich teuer gewesen, aber da es ihr an Geld nicht mangelte, hatte sie sie sich geleistet.

Es war nicht recht viel später, als sie nachts davon träumte, dass ihr Drache lebendig geworden sei.
Als sie aufwachte, schwang der Traum noch in ihr und sie bedauerte, dass er nicht Wirklichkeit werden konnte.
Als sie sich jedoch auf den Weg Richtung Küche machte, um sich ihren Morgenkaffee zu brauen, roch sie im Gang, dass ihr bereits Kaffeegeruch in die Nase stieg.
Erschrocken hastete sie in die Küche und sah – ihren kleinen Drachen, wie er emsig dabei war ein Frühstück vorzubereiten.
Sie rieb sich die Augen und kniff sich in den Arm – der kleine Drache war immer noch da.
„Träum‘ ich?“, wunderte sie sich.
Aber nein, der Drache war wirklich da und er war gerade dabei, ihr Rühreier auf ihren Lieblingsteller zu schaufeln.
„Hier, Lexi, damit du Kraft für den Tag hast.“
Er goss ihr eine große Tasse dampfenden Kaffees ein.
„Ist zwar nicht gesund, aber ich weiß, dass du ihn liebst. Immerhin kenne ich dich ja nun schon ein paar Wochen.“
„Ich glaub, ich muss mich setzen“, sagte sie laut.
„Gute Idee“, meinte der kleine Drache. „Dann kann ich mich erst einmal vorstellen.“
Er erzählte ihr, dass er in China geboren worden war und ein Beschützerdrache sei. Er war schon lange auf der Suche nach einem Menschen gewesen, den er beschützen konnte.
Bedauerlicherweise hatte er bis dahin kein Glück gehabt. Einmal war er sogar von Kindern mit Steinen beworfen worden, so dass er nun auf einem Auge blind war. Das hatte ihn sehr traurig gemacht und er hatte beschlossen, dass es ihm jetzt reichen würde und er seinen Menschen auf andere Weise suchen würde.
Also hatte er sich in einen Touristenladen begeben, sich versteinert und beobachtet, wer in dem Laden alles ein und ausging.

Es verging einige Zeit und er lernte viel über Menschen.
Bis er eines Tages eine Frau bemerkte, zu der er sich hingezogen fühlte. Er spürte, dass sie ein gutes Herz hatte.
Aber sie arbeitete zu viel und sie hatte sich im Laufe der Jahre durch Fremdeinflüsse von sich entfremdet.
Da sich das nicht gut anfühlte, hatte sie mit der Zeit ein kleines Mäuerchen um ihr Herz errichtet. Dieses Mäuerchen half ihr, dass sie es nicht dauernd spüren musste. Gleichzeitig erzeugte es aber ein Gefühl von Enge, das ihr immer mehr die Luft zum Atmen nahm.
Ja, das war sie, seine Menschin! Diese Frau wollte er begleiten und ihr zur Seite stehen.
Schnell spuckte er über sein steinernes Ich etwas Feuer, polierte sich, bis er glänzte und versuchte durch sein Schimmern auf sich aufmerksam zu machen.
Ob das Licht zufällig so direkt auf ihn schien oder ob es so sein sollte, Lexi hatte sich sofort in ihn verliebt und ihn gekauft.
Innerlich jubelte der kleine Drache. Aber noch war die Zeit nicht gekommen, seine lebendige Gestalt wieder anzunehmen.
Also wartete er geduldig, denn das war seine Stärke: Geduld. Und liebevolle Hingabe.
So saßen sie nun am Küchentisch und Lexi wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Hatte ihr jemand am Abend zuvor etwas in ihr Getränk geschüttet?
Aber der Drache schien ihr zu real – das konnte kein Trugbild sein.
Sie beschloss ihre Freundin Lina zu fragen, die sowohl Psychologin als auch Schamanin war. Die konnte mit Sicherheit unterscheiden, ob sie sich nun ernsthaft Sorgen um ihre Psyche machen sollte oder ob dies eher dem schamanischen Bereich zuzuordnen war.
Bis dahin wollte sie sich einfach auf die kleine Kreatur einlassen, die da vor ihr auf dem Küchentisch saß und so rührend um sie bemüht war.

„Hör mal, kleiner Drache, hast du denn auch einen Namen?“, fragte sie.
Verschämt blickte er auf den Küchentisch und meinte:
„Nein, Lexi. Namen erhalten Beschützerdrachen erst, wenn sie einen Menschen haben, den sie beschützen können. Da ich bisher noch keinen gefunden habe, bin ich namenlos.“
In gewisser Weise hatte der kleine Drache ein ähnliches Problem wie Lexi: seine Identität.
Sie hatte sich nach jahrelanger Orientierung an beruflichen Anforderungen selbst verloren und er hatte bisher den wesentlichen Teil seines Selbst noch gar nicht gefunden.
Vielleicht hatte er sie sich deshalb ausgesucht. Aber von Unterbewusstsein und Projektion wusste der kleine Drache nichts, denn Psychologie war an der Drachenschule kein Unterrichtsfach gewesen.
„Nun, kleiner Drache, zuerst einmal heiße ich dich herzlich in meinem Leben willkommen und danke dir, dass du da bist. Ich freue mich sehr, dass du mich beschützen möchtest.“
Lexi war eine starke Frau, die in sämtlichen Bereichen ihren „Mann“ stand.
Sie war unabhängig und hatte kein Problem damit alleine zu sein.
Auf allen Kontinenten war sie bereits alleine gereist.
Trotzdem wünschte sie sich manchmal jemanden, mit dem sie ihre Freude teilen konnte und der auf sie schaute.
„Ich will dir gerne einen Namen geben. Da ich heiße Schokolade liebe, bin ich versucht, dich „Coco“ zu nennen. Aber gib mir noch etwas Zeit, um dich besser kennen zu lernen. Ich möchte einen Namen finden, der zu dir passt.“

„Oh ja, gerne!“
Seine Augen blitzten vor Freude und wenn man genau hinsah, konnte man eine kleine Freudenträne in der Ecke seines gesunden Auges erkennen.
„Ich will dich beschützen und dir helfen. Ich habe nur noch ein Auge. Deshalb will ich es doppelt gut für dich einsetzen und versuchen, alles zu sehen, was dir gut tut oder schadet.“
„Ja, lieber Drache, das mag ich wohl glauben. Mache dir keine Sorgen, ich vertraue dir.“
Und so lebten die beiden eine Weile miteinander. Der kleine Drache begleitete Lexi überall hin.
Wenn andere Menschen dabei waren, verwandelte er sich in eine kleine Steinfigur, die in ihre Hosentasche passte. Auf die Weise konnte er alles mitbekommen.

Mit der Zeit lernten sie sich besser kennen und so sagte Lexi eines Tages zu ihm:
„Lieber Drache, ich weiß nun, wie ich dich nenne. Wie du mittlerweile weißt, ist „Rocky“ mein Lieblingsfilm und „Eye of the Tiger“ mein Lieblingslied.
Ich habe immer wieder erlebt, wie du dein gesundes Auge scharf, fast schon grimmig, einsetzt, um mir zu helfen und mich zu beschützen.
Deshalb will ich deinem „Adlerauge“ das Lied „Eye of the Tiger“ widmen und dich „Tiger“ nennen. Würde dir das gefallen?“
Der kleine Drache war außer sich vor Freude.
Nun hatte er alles, was er sich immer gewünscht hatte: einen Menschen zum Beschützen, eine Aufgabe, die er erfüllen konnte und jetzt auch seinen eigenen Namen.
Es war ein Name, der genau zu ihm passte und nur zu ihm. Er hatte sich den Namen verdient, mit seiner Hingabe und seinen Bemühungen.
Er hatte nicht damit gerechnet: Aus seiner Schwäche war seine Stärke geworden. Er war mächtig stolz.
Da Lexi ihn davor schon manchmal „Coco“ genannt hatte, um ihn überhaupt ansprechen zu können, fragte er sie, ob er diesen Namen als seinen zweiten Vornamen behalten könne.
Von den letzten Klassentreffen mit den anderen Drachen seiner Schule wusste er, dass keiner von ihnen zwei Vornahmen hatte.
Das würde er beim nächsten Treffen mit stolzgeschwellter Brust erzählen.
Lexi freute sich, ihren kleinen Beschützer so glücklich zu sehen und zusammen feierten sie seinen Aufstieg vom „Namenlosen“ zu einem Wesen mit eigener Identität.
Aber nicht nur Lexi kannte Tiger inzwischen besser. Auch Tiger hatte seine Lexi kennen gelernt und suchte fieberhaft mit seinem Auge, wie er ihr helfen konnte.
Als Lexi noch klein war, war sie ein braves Kind gewesen – fleißig, zielstrebig, stets korrekt. Das hatte sie in ihrem Leben weit gebracht.
Zusammen mit ihrer Stärke für Planung und Umsetzung von Ideen und Projekten war sie hervorragend geeignet, alle möglichen Dinge zu managen.
Sie hatte auch eine Vorliebe für das Schöne, Ästhetik und Kunst.
Besonders wichtig war für sie, dass sie Zeit zum Genießen hatte.
Sehr zu ihrem Bedauern war dies in den letzten Jahren ihrer Karriere immer seltener der Fall. Der Großteil ihrer Zeit ging für berufliche Dinge drauf.
Private Momente, ob allein oder mit Freunden, kamen zu kurz.
Selbst für den Genuss heißer Schokolade, die sie sich früher immer liebevoll aus verschiedenen Zutaten zubereitet hatte, hatte sie keine Zeit mehr.
Jedes Mal, wenn in ihr Bewusstsein die Frage kriechen wollte, wo dann eigentlich noch ihre Lebensqualität sei, schob sie sie schnell zur Seite.
Aber ganz abschalten konnte sie diese Frage nicht.

Und noch etwas störte sie.
Obwohl sie sich eigentlich abgrenzen konnte, hatte sie in letzter Zeit mehr und mehr das Gefühl sich von sich selbst zu entfremden.
Sie verbrachte so viel Zeit mit Arbeiten, dass sie gar nicht mehr wusste, wer sie außerhalb ihres Berufs war.
Vor lauter Business-to-dos, Meinungen anderer, Feedbacks und Learnings hatte sie den klaren Blick auf sich verloren.
Sie hatte sich an irgendeiner Stelle verrannt und nun fand sie den Weg zurück nicht mehr.
„Schade, dass ich den Weg zurück nicht einfach mit einem Flugzeug finden kann“, überlegte sie.
Sie war viel beruflich in der Welt unterwegs und da war ihr das Fliegen vertraut.
„Oder“, überlegte sie, „man bräuchte einen Hexenbesen… das wäre schön, dann wäre ich noch unabhängiger und freier. Ob es die wohl jemals gegeben hat?“

Ihr war klar, dass das Thema „Selbstfindung“ weder mit einem Flugzeug noch mit einem Besen so einfach zu lösen war.
Und so war sie neugierig, als sie auf ihrer letzten Japanreise mit der Dame in Berührung kam, der wir die weltweite Bekanntmachung von Aufräumcoaching zu verdanken haben:
Marie Kondo.
Sie bewunderte ihre Geschäftstüchtigkeit, und dass sie als Frau so große Berühmtheit erlangt hatte.
Gleichzeitig betrachtete sie es als Merkwürdigkeit der heutigen Zeit, dass Aufräumcoaching überhaupt nötig war.
Aber bevor sie bezüglich des neuen Trends die Nase rümpfen konnte, fiel ihr Blick auf ihr eigenes Chaos – und ja, das konnte sie nun blöderweise nicht leugnen. Mist!
Interessant war, dass Marie Kondo schrieb, dass man beim Ausmisten und Aufräumen mit sich selbst in Kontakt käme. Das wäre doch genau das, was sie bräuchte, oder?
Aber Lexi war beruflich sehr eingespannt – für Aufräumen hatte sie keine Zeit.
Tiger hatte das alles mitbekommen und nichts dazu gesagt.
Aber sein Auge kitzelte und das war für ihn ein untrügliches Zeichen, dass hier die Lösung für seine geliebte Menschin zu finden war.
Also flog er um die Häuser und suchte nach einer Möglichkeit, wie er ihr Ausmisten näher bringen konnte.

Er flog umher und flog umher und nach ein paar Tagen hörte er, wie sich zwei Frauen über dieses Thema unterhielten.
Er hatte Glück: Eine der Frauen war Aufräumcoach.
Also flog er mit zu ihr nach Hause und was er sah, gefiel ihm.
Einen Putzfimmel hatte die Frau nicht, aber es war ordentlich, nichts stand herum und alles war liebevoll und farbenfroh dekoriert.
Was ihn am meisten freute: Es gab Bilder und Figuren von Drachen – ja sogar ein paar Tassen von seiner Art.

„Ja, das ist stimmig“, dachte er. „Das ist genau das Richtige für meine Lexi.“
Zu seiner großen Verwunderung konnte ihn diese Frau wahrnehmen und so unterhielten sie sich ein wenig und er erzählte ihr von Lexis Problem.
„Wichtig ist“, erklärte der Aufräumcoach, „dass Lexi sich selbst dafür entscheidet. Es geht nicht, dass jemand einen Gutschein kauft und ihr den zu Weihnachten schenkt.
Ausmisten und Aufräumen ist eine sehr persönliche Angelegenheit und der Wunsch muss immer von der Person selbst kommen. Sonst wäre es übergriffig. Was du machen kannst, ist, ihr den Link zu meiner Website zu geben.
Dann kann sie es sich in Ruhe anschauen und eine Entscheidung treffen. Hier, ich schreibe es dir auf.“
Tiger nahm das Zettelchen in sein Drachenmaul, flog nach Hause zu Lexi und erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem Aufräumcoach.
Lexi wusste inzwischen, dass wenn Tiger die Initiative ergriff, es höchste Eisenbahn war, zu handeln.
Also nahm sie sich vor, sich der Sache am Wochenende anzunehmen.

Und so setzte sie sich am darauffolgenden Samstag in ihre gemütliche Wohnküche, nippte an einer dampfenden Tasse Kaffee und öffnete ihren Laptop.
Was haben eigentlich die Leute gemacht, bevor es Internet und Google gab?
Oder die, die noch viel früher lebten. Sie konnte sich das heute gar nicht mehr vorstellen.
Was sie auf der Website des Coachs las, gefiel ihr.
Man merkte, dass die Frau wusste, wovon sie schrieb. Und dann war sie auch noch Psychologin.
„Das passt wie die Faust aufs Auge“, dachte sie.
„Und apropos Faust – Taekwondo macht sie auch. Dadurch hat sie einen ganzheitlichen Blick auf die Thematik.“
Von einem Bekannten hatte Lexi gehört, dass Taekwondo im Kopf aufräumte und zu Klarheit führte.
Was ihr am meisten gefiel, war die Tatsache, dass die Frau viel allein gereist war. So etwas erweitert Geist und Bewusstsein.
Wer viele andere Kulturen und Menschen kennen gelernt hat, urteilt nicht so leicht.
Außerdem fühlte sie sich einfach wohl, weil sie etwas gemeinsam hatten.
„Ja“, dachte sie sich, „die nehme ich, die passt zu mir.“
Tiger musste schmunzeln. Er merkte, dass Lexi sich offensichtlich gar nicht mehr mit der Frage auseinander setzte, ob sie das machen wollte.
Anscheinend hatte es einfach die passende Unterstützung von außen gebraucht.
Lexi entspannte zusehends und war nun bereit, die Details aufzunehmen.
Tiger saß auf ihrer Schulter und las mit.

Aufräumcoach
„In der heutigen Zeit des Coachings scheint es für alles einen Coach zu geben. So auch für das Aufräumen.
Aber wie kommt es zu dieser Neuerscheinung überhaupt?
Man kann vor allem drei Ursachen dafür ausmachen:
1) Der Konsumwahn, auf den wir getrimmt werden.
2) Mehr Stress:
* Wir müssen immer mehr leisten.
* Unser Kopf wird immer vollgestopfter mit Reizen:
Werbung, Radio, Social Media, Nachrichten, Arbeit.
* Wir haben immer mehr Druck – selbst gemacht und durch andere.
3) Weniger Zeit:
In vielen Familien arbeiten beide Elterneile.
Es bleibt keiner, der sich, wie früher, um ein wohliges Zuhause kümmert.
Das Traurige und Ironische am dritten Punkt ist, dass wir einen großen Teil des Geldes, das wir beim Arbeiten erwirtschaften und wofür wir mit unserer Lebenszeit bezahlen, für noch mehr Konsum ausgeben.
Da beißt sich die Katze selbst in den Schwanz.
Hätten wir weniger Geld, dann hätten wir weniger Zeug und mehr Zeit, uns dieses „Wenigeren“ anzunehmen.
Stattdessen sind wir völlig überladen und uns fehlen Zeit und Kraft, diese Haufen zu „verwalten“.
Was heißt: „Uns fehlt die Zeit?“
Letztendlich ist es ja nicht so, dass wir die Zeit nicht hätten.
Es ist eher die Frage: „Wofür verwenden wir sie?“ Aber da wir viel anderes zu tun haben und meistens wenig Kraft und noch weniger Lust, schieben wir das Aufräumen immer wieder auf – während die Wohnung immer mehr vermüllt.

Was wir nicht aufschieben, sind Bestellen und Kaufen. Ein Teufelskreis.“
Lexi war erleichtert: Sie war nicht die Einzige, die sich mit dieser Thematik schwer tat. Auch andere Leserinnen wollten wissen:
„Wer kann mir beim Aufräumen helfen?“
Das heißt, die Frage ist nicht:
„Was ist das denn nun wieder für ein neumodischer Schmarrn?“, sondern die Aufräumcoaches sind „entstanden“, weil der Bedarf dafür vorhanden ist.“
Das war das Gleiche mit Lexis Unverträglichkeiten.
Letztens, als sie beim Bäcker nach glutenfreiem Brot fragte, musste sie sich anhören, dass das alles ein moderner Quatsch sei und es sowas doch früher nicht gegeben hätte.
Ja, eben! Früher gab es das nicht. Heute gibt es das!
Wir vergiften uns mehr und mehr mit immer neuem chemischem Zeug – da kommt der Körper nicht hinterher.
Natürlich reagiert er da mit Unverträglichkeiten.
Das hieß deswegen doch nicht, dass sie sich das einbilde.
Sie musste sich einen anderen Bäcker suchen. So schmeckte ihr ja das Brot nicht mehr – mit oder ohne Gluten!

Sie stand auf, ging aufs Klo und als sie sich abgeregt hatte, wandte sie sich wieder ihrer Recherche zu.
Weiter stand dort:
„Der Begriff „Aufräumcoach“ ist kein geschützter Titel.
Das heißt, jeder Aufräumcoach bringt einen anderen beruflichen Hintergrund und einen anderen Erfahrungsschatz mit.
Auch die Vorgehensweise unterscheidet sich von Coach zu Coach.
Um in Erfahrung zu bringen, welcher Coach zu Ihnen am besten passt und wo Sie sich am Wohlsten fühlen, lesen sie dessen Website.
Die Basis des Aufräumcoachings sehe ich folgendermaßen:
Jedes Zuhause sieht anders aus. Warum?
Weil wir als Besitzer es so gestaltet haben. Ausschließlich wir und die Menschen aus unserem Bekanntenkreis haben dort Sachen hinein getragen.
Selbst wenn es Bekannte waren, waren es unsere Bekannten, haben also etwas mit uns zu tun.

Ob wir es bewusst oder unbewusst gemacht haben, ob es Einkäufe oder Geschenke waren, immer sind wir es, die es hinein und nicht wieder hinaus getragen haben.
Deshalb ist unser Zuhause ein Spiegel von uns.
Nicht von den Nachbarn, nicht von unseren Eltern – von uns.„
„Hm ja, stimmt…“, dachte Lexi. „Ich hab ja viel Berufliches zu Hause. Aber mein Chef hat das nicht hier reingeschleppt…“
Sie kam ins Grübeln.
„Da ich Psychologin bin, interessiert mich neben ästhetischen Gesichtspunkten vor allem die psychologische Seite des Aufräumcoachings.
Wir nutzen im Bereich der Psychologie verschiedene Begriffe:
- Seele
- Psyche
- Bewusstsein
- Unterbewusstsein
- Vorbewusstsein
- Unbewusstes
- Manche sagen dazu auch „Kopf“, obwohl dies sonst eher mit dem Verstand in Verbindung gebracht wird.
- Um die Verwirrung komplett zu machen, kommen aus dem Englischen „mind“ und „mental“ dazu, was man eigentlich ebenfalls erstmal mit dem Verstand in Verbindung bringen würde.
- Auch „Gefühle“ und „Emotionen“ gehören in diesen Bereich.
Sie werden von manchen synonym verwendet, während andere eine Unterscheidung vornehmen.
- Verwandt sind auch „Einstellung“, „innere Haltung“ und neuerdings „mind set.“
All diese Begriffe werden, je nach Sprecher, für das Gleiche oder unterschiedlich verwendet.
Zum Glück wissen wir meistens mehr oder weniger, was damit gemeint ist.
Das Begriffe-Chaos kommt daher, dass diese Begriffe nur eine Annäherung und den Versuch darstellen, etwas zu er-fassen, was wir nicht sehen können.

Das Unbewusste ist wie ein riesiger, tiefer Ozean.
Wir können ihn nie ganz erforschen. Was wir können, ist, dank einiger mutiger „Tiefseetaucher“, aus ihren Erfahrungen zu lernen.
Dieses Wissen wurde in den Universitäten zusammen getragen.
Auch wenn wir selbst dort nicht alles erfahren können, was wir für „das große Unbekannte“ wissen müssten, können wir wertvolle Dinge lernen:
- wie man ein Schiff bedient
- wie man eine Taucherausrüstung benutzt
- auf welche Wesen der Tiefe man treffen könnte
(welche schon aufgelistet und beschrieben wurden)
- und vor allem wie man mit ihnen umgeht
Ein schönes Beispiel an dieser Stelle ist Hagrid, der Hüter des Waldes, in den Filmen „Harry Potter“. Er kennt und liebt seine wilden Wesen und sein Motto lautet:
„Der Trick bei jedem Tier (im englischen „beast“) ist zu wissen, wie man es beruhigt.“
Neben diesen wertvollen Werkzeugen und Kompetenzen lernte ich beim Studium vor allem eines: Demut.
Demut gegenüber den großen Weiten, die wir bisher noch nicht erforscht haben. Und vor allem Demut gegenüber den Tücken und unentdeckten Wesen, die in der Tiefe lauern.
In dieser Metapher wird etwas, das wir nicht sehen können, in Bilder gefasst, die wir greifen und damit be-greifen können.
Wie ist es aber nun, wenn wir die Metapher wieder verlassen und konkret zu unserem Gegenüber zurückkehren?

Was machen wir da in der Psychologie, um anderen zu helfen?
Wie gehen wir vor?
Egal, wie viel wir an der Uni gelernt haben, es bleibt zu einem großen Teil abstrakt und nicht wirklich sichtbar.
Egal, wie sehr uns das Wohl unserer Klientinnen und Klienten am Herzen liegt – zu einem beträchtlichen Teil werden wir immer „im Trüben fischen“.
Genau das ist der Grund, warum mein Psychologinnenherz beim Gedanken an Aufräumcoaching höher schlägt:
Es ist endlich eine Vorgehensweise, bei der wir „sehen“.
Wir sehen die Gegenstände, die Anordnung, den Wohnbereich als Ganzes und die unmittelbaren Gefühle und Reaktionen im Gesicht der Klientinnen und Klienten, wenn sie einen Gegenstand in die Hand nehmen.
Entsprechend groß ist die Herausforderung für sie:
Sie müssen die Hosen runter lassen.
Sogar noch mehr, als in einer Psychotherapie, denn in einer Psychotherapie können sie entscheiden, was sie dem Therapeuten erzählen und was nicht.
Wenn ich bei ihnen zu Hause bin, können sie nichts zurück halten. Wenn sie alles vorher wegräumen und schön machen könnten, bräuchten sie mich ja nicht.
An der Stelle beißt sich die Katze selbst in den Schwanz.
Also gibt es keine Möglichkeit, dem Gesehen-Werden auszukommen.
Aus diesem Grund habe ich höchsten Respekt vor dem Mut meiner Klientinnen und Klienten.

Ein Grund, warum wir nicht gerne ausmisten und aufräumen:
Wir werden konfrontiert mit unangenehmen Gefühlen.
Selbst diejenigen, die Psychologie an der Universität gelernt haben, tun sich schwer, wenn sie sich dabei selbst begleiten müssen.
Das heißt: Letztendlich tut jedem Menschen eine Begleitung an dieser Stelle gut.
Meine Erfahrung als Psychologin, die ihre Umwelt von Kindesbeinen an intensiv wahrgenommen hat, ist:
Ich habe noch keinen getroffen, der nicht ein Päckchen zu tragen gehabt hätte.
Das bedeutet:
Jeder hat in seinem Zuhause etwas, das ihn freudig oder traurig stimmt.
Die Frage ist also nicht, ob Sie zu denjenigen gehören, die das brauchen, sondern ob Sie zu denjenigen gehören, die den Mut haben, dieses Unterfangen anzugehen (und dann auch noch sichtbar für einen Menschen, der daneben steht).
Zurück zu meiner Begeisterung:
Ich finde Aufräumcoaching also deshalb genial, weil wir der Seele näher kommen in dem Moment, in dem wir unsere Gegenständen ansehen und anfassen.
An viele sind Gefühle und Erinnerungen geknüpft. Dadurch kriegen wir leicht Zugang dazu.
Dank meines Studiums weiß ich damit umzugehen, so dass meine Klientinnen und Klienten die bestmögliche Begleitung erfahren und weiter kommen.
Denn dies sind mein Hauptziele:
- sie kommen in ihrer Entwicklung weiter
- sie werden alten, bremsenden Schnodder los
- sie fühlen sich leichter
- sie lernen sich besser kennen
- sie lernen sich mehr akzeptieren.“

„Wow“, Lexi blickte von ihrem Laptop auf, „dieser psychologische Hintergrund ist beeindruckend.
So, wie die Psychologin es beschreibt, ist es einleuchtend und stimmig.
Eigentlich auch logisch – nur, dass man darüber halt nicht nachdenkt.“
Sie las die Seite zu Ende:
„Das heißt, als Aufräumcoach begleite ich Sie auf sämtlichen Ebenen durch den Prozess: praktisch, psychologisch, energetisch.
- Wir holen hervor, sortieren, räumen ordentlich ein.
- Wenn Sie dabei an Gefühle stoßen, stehe ich Ihnen mit meinem Know-How zur Seite.
- Sollten Sie müde werden, halte ich energetisch den Raum, den Sie brauchen, um weiterzumachen.“
Lexi brauchte eine Pause.
Schon die gedankliche Auseinandersetzung damit kostete Kraft.
Wie sollte man da einen ganzen Tag Praxis durchhalten?!
Ihr Kopf rauchte.
Also verließ sie mit Tiger die Wohnung, um ein bisschen im erfrischenden Nebel spazieren zu gehen.
Als sie zurück waren, setzte sie sich erneut an ihren Laptop.
Tiger war müde vom vielen Denken seiner Menschin.
Gerne hätte er sich hingelegt und ein Nickerchen gehalten. Aber er wollte nicht, dass ihm etwas entging, das ihm hinterher helfen konnte, Lexi zu helfen.
So nahm er einen Schluck von dem Kaffee, den sich Lexi gebraut hatte (sie war ebenfalls müde vom Reflektieren, aber zu gespannt, um aufzuhören), setzte sich wieder auf ihre Schulter und schaute mit seinem Tiger-Auge angestrengt auf den Bildschirm.

Aufräumcoaching
„Wie wir dabei genau vorgehen, ist folgendermaßen:
Ich komme zu Ihnen nach Hause. Wir holen nach und nach alles aus den Schränken raus.
Dabei gehen wir nach Kategorien vor.
Die erste ist:
- Kleidung
Wenn wir eine Kategorie komplett vor uns liegen haben, nehmen Sie jedes Teil einzeln in die Hand und spüren, wie Sie darauf reagieren.
Bei negativen, traurigen Gefühlen, unterstütze ich Sie.
Wenn der Gegenstand glückliche Gefühle in Ihnen hervorruft oder sie ihn regelmäßig benützen, wird er aufbewahrt.
Die anderen Gegenstände werden weg gegeben.
Sie müssen sie nicht in den Müll werfen. Sie bekommen von mir eine Liste mit möglichen Stellen, wo Sie sie hinbringen können, nachdem Sie eine Nacht darüber geschlafen haben.
Für die Gegenstände, die bleiben, suchen wir einen sinnvollen Platz und räumen sie ordentlich ein.

Dann widmen wir uns der nächsten Kategorie:
- Bücher
Darauf folgen:
- Dokumente
- diverse kleinere Dinge
- Küche
- Nostalgisches
- Computer
- Fotos
Wir können entweder alle Kategorien gemeinsam machen.
Oder wir machen zusammen den Anfang und Sie machen alleine weiter.
Es hat sich bewährt alle Bereiche zeitnah zu erledigen, damit die Unordnung nicht in bereits ausgemistete und geordnete Bereiche hinüber wandert und Sie nicht die Motivation verlieren.„
„Wow“, dachte Lexi, „das ist ganz schön viel Arbeit.
Da muss ich ja Urlaub nehmen… Aber dann wäre alles weg, erledigt, schön und klar und ich muss das Ganze nicht monatelang mit mir rum ziehen.
Die unerledigten Bereiche kosten mich ja Kraft und Aufmerksamkeit. Also lieber alles in einem Aufwasch.
Ja, das wäre schon genial – dann hab ich alles weg. Zum Glück kennt sie Stellen, wo ich meine Sachen hinbringen kann. Weil wegschmeißen könnt ich es nicht.
Das täte mir in der Seele weh. Wenn ich daran denke ist es, als hätte ich körperliche Schmerzen.“
Sie musste über sich selbst schmunzeln. „Ja, aber so ist es nun mal“, grinste sie.
„Ja, das machen wir. Ich werde gleich am Montag mit meinem Chef wegen Urlaub reden. Gut gemacht, Tiger!“
Lexi strahlte. Sie war eine Frau, die nicht lange fackelte, sondern Nägel mit Köpfen machte: Idee – Umsetzung, zack – zack.
„Jetzt freue ich mich richtig darauf! Hoffentlich hat die Psychologin auch bald Zeit… nicht, dass es ewiglange Wartezeiten gibt… hm, da muss ich gleich mal eine E-Mail schreiben.
Telefon wird wenig bringen. Wenn Sie in die Wohnräume ihrer Kunden vertieft ist, kann sie ja nicht ständig sagen „‘tschuljung, ich muss mal ans Telefon.“
Das würde ich als Kundin auch nicht wollen.
Und was steht hier noch? Ach ja, da steht’s ja.“
„Schreiben Sie mir eine E-Mail an kontakt@sibylle-aufraeumcoaching.de, um ein 15-minütiges kostenfreies Telefonat zu vereinbaren.“
„15 Minuten ist jetzt nicht viel.
Aber klar, muss sie eigentlich begrenzen, sonst gibt’s wieder Leute, die kein Aufräumcoaching buchen wollen, sondern sich denken:
„Hey – subba! Eine kostenlose Psychologin, der werde ich gleich mal meine Lebensgeschichte erzählen – kost‘ ja nix.“
Sie schmunzelte. Sie kannte die Denkweise mancher Menschen aus ihrem eigenen Job.

Lexi war mehr und mehr aufgeregt.
Sie würde also durch den Spiegel ihrer Wohnung sehen, wer sie eigentlich war.
Sie sah sich in ihrer Küche um…
„Was da wohl alles zu Tage gefördert wird? Sehr spannend…
Und gleichzeitig räume ich in meinem Kopf auf…
Mit diesem Aufräumcoaching schlägt man wirklich mehrere Fliegen mit einer Klappe…
Mal sehen, was dazu noch alles auf der Website steht.
Ach, aber zuerst noch schauen, was es eigentlich kostet. Sowas ist bestimmt nicht billig.
Wenn sich eine Diplom-Psychologin mit ihrem ganzen Wissen und jahrelanger Erfahrung einen Tag lang ausschließlich mir widmet, Fokus und Aufmerksamkeit auf mich richtet, sie sich auf die Tiefen meiner Schubläden und Seele einlässt und alles genau auf meine individuellen Bedürfnisse zuschneidet, ist das was wert.“

Aufräumcoach Preise
Sie fand den Absatz mit den Preisen:
„Was kostet ein Aufräumcoach?“
„Ein Tag mit 6 Stunden kostet 700€.
Reisekosten werden ab einer Entfernung von 10 km ab München Schwabing mit 0,70€ pro km berechnet (hin und zurück).“
„Hm, vielleicht buche ich dann gleich mehrere Tage“, dachte sich Lexi.
Tiger nickte zufrieden.
„Das Aufräumcoaching ist auch auf Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch möglich.“
„Prima! Dann kann ich es an meine Arbeitskolleginnen weiter leiten.“
Da ihr Konzern weltweit vertreten war, hatte sie viele Kolleginnen aus anderen Ländern.
„So, dann lese ich jetzt, was noch zu dieser Thematik erzählt wird und dann schreiben wir ihr, oder, Tiger?“
„Ja klar“, meinte Tiger. „Ich hab ja schon mit ihr geredet – ich kann sie empfehlen.“
„Na dann…“, schmunzelte Lexi.

Aufräumcoaching und das Selbst
Sie las weiter. Die Sache mit dem Selbst wurde näher erklärt.
„Es gibt Gegenstände in unserem Zuhause, die dort nicht hingehören, weil sie uns nicht gefallen, uns belasten oder nicht zu uns passen.
Die Frage ist: Wieso stehen sie dort?
Grob lässt sich die Antwort in drei Kategorien unterteilen:
1) Sie sind verknüpft mit einem unangenehmen Ereignis, das wir noch nicht aufgearbeitet haben.
Es macht Sinn, dass sie da sind, weil sie uns daran erinnern, uns die dazugehörigen Gefühle anzusehen.
2) Wir haben sie geschenkt bekommen.
3) Wir wurden durch Marketingpsychologie zum Kauf manipuliert.
Die Gegenstände, die nicht zu uns passen (Punkt 2 und 3), stellen Fremdeinflüsse dar und wenn es zu viele werden, entsteht die Frage nach dem Selbst.
Wenn die Gegenstände um uns herum nicht unser Selbst spiegeln, sondern wir immer nur in „fremde Gesichter“ blicken, haben wir irgendwann keinen klaren Blick mehr auf uns.
Unser Selbstbild wird immer verschwommener und verzerrter.

Dies bringt einen ganzen Rattenschwanz an Problemen mit sich:

Wir werden unsicherer und dadurch noch leichter manipulierbar.
Die Konsumindustrie hat gewonnen.
Und nicht nur die.
Sämtliche Ängste haben leichtes Spiel, wenn wir uns nicht klar sind, wer wir sind, was wir wollen und wenn wir keine klar definierten Grenzen haben, die wir mit Selbstbewusstsein verteidigen. Wir werden zum Blatt im Wind und immer fremdbestimmter.“
„Interessant“, dachte sich Lexi, „ich hatte eigentlich immer gedacht ich wäre meine Herrin im Haus. Ich gehe hin, wo ich mag und mache, was ich will.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich da fremd bestimmt sein konnte.
Ja, bei ein paar Kolleginnen in meiner Arbeit, da war es mir schon immer klar, dass sie fremd bestimmt sind. Die richten sich dauernd nach anderen und versuchen ständig anderer Leute Wünsche zu erfüllen.
Aber es stimmt schon – wenn ich mich hier so umschaue, kann ich auf die Schnelle sehen, dass da so einiges dabei ist, was ich eigentlich nicht hier haben will und was definitiv nicht ich bin.“
Sie las weiter:
„Wer wünscht sich nicht ein selbstbestimmtes Leben?
Wer wird gerne fremdbestimmt?
Aber geht Selbstbestimmung überhaupt und wenn ja, wie?
Und woher weiß ich überhaupt, wer ich bin und was ich will?
Das sind schwierige Fragen.
Den wenigsten Menschen gelingt es, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Und zu 100% ist unser Leben nie selbstbestimmt, weil wir Gemeinschaftswesen sind.
Wir sind darauf ausgelegt, uns an anderen zu orientieren und von Ihnen akzeptiert und anerkannt zu werden.
Ob uns das gefällt oder nicht.

Trotzdem gibt es Abstufungen.
Wie in den meisten Bereichen des Lebens ist Balance sinnvoll – oder „Omas gesundes Mittelmaß“.
Und um dort wieder hinzukommen, dafür gibt es Möglichkeiten.
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Wohnbereich stellt eine davon dar.
Indem wir uns auf die einzelnen Gegenstände einlassen, werden wir uns bewusst, mit was wir uns wohl fühlen, was wir wollen und wer wir sind.
Erst, wenn wir das gelernt haben, können wir uns auf den Weg Richtung Selbstbestimmung machen.
So kann man die Gegenstände zu Hause als Schatztruhe betrachten, anhand deren Inhalte wir Klarheit gewinnen.

„Wer bin ich, was will ich, was tut mir gut?“
– das ist Selbstfürsorge.
Gleichzeitig übernehmen wir die Verantwortung für unser Leben.
Indem ich Fremdes weggebe, grabe ich mich also Stück für Stück aus und finde mich wieder.
Aber auch mehr Kraft ist eine natürliche Folge:
1) Wenn ich mich mit Dingen umgebe, die ich schön finde und die mir gut tun, bekomme ich durch sie Kraft und Rückhalt.
2) Unterdrückte Gefühle nehmen Kraft.
Indem ich sie zulasse und spüre, steht mir die Kraft wieder im Alltag zur Verfügung.
3) Das größte Geschenk, das wir haben, sind wir selbst und die Begegnung mit uns, offen, unverstellt, mutig und ehrlich.
Indem wir das tun, kommen wir mit unserer ureigenen Kraft wieder in Kontakt.
Wir spüren sie klar und deutlich und können sie im Alltag verwenden.„
„Das ist ja richtig philosophisch…“, überlegte Lexi.
„Aber es tut gut, über den Tellerrand des Bekannten und Gewohnten hinaus zu blicken. Ich hätte nie gedacht, dass Aufräumcoaching so ein weites Feld ist und so viele positive Folgen hat…“

Aufräumcoaching und Konsum
Es gab noch weitere Bereiche, die damit verwoben waren.
Der nächste Punkt war der Aspekt des Konsums.
Hier war uns die Balance völlig abhandengekommen. Als Beispiel wurde „Black Friday“ genannt.
„Warum lassen wir uns durch Angebote zum Kaufrausch verleiten, obwohl wir die negativen Folgen davon kennen?“
„Ja, das würde mich auch mal interessieren…“, überlegte sie. „Jetzt wird’s interessant.“
„Die Antwort ist einfach:
Seit Jahren werden Gehirn, Sinne, Wahrnehmung, Reizverarbeitung, Reaktionen etc. erforscht.
Die daraus hervorgehenden Erkenntnisse werden allen voran vom Marketingbereich verwendet.
Das heißt, wir wurden jahrelang trainiert, auf Formen, Farben und Symbole auf eine bestimmte Art zu reagieren – wir können nicht anders.
So wurde unser Gehirn darauf konditioniert, erstens Blick und Aufmerksamkeit auf Zeichen zu lenken, die einen Preisnachlass symbolisieren und zweitens nicht zu überprüfen, ob es sich dabei wirklich um eine Reduzierung handelt.

Anders als den Werbetreibenden ist den Konsumenten nichts davon bewusst.“
„Hm…“, überlegte Lexi, „das mit den Farben und Formen hat mir Lina auch schon mal erzählt.
Darum geht es ja eigentlich immer – ob wir etwas schön finden, ob wir uns wohl fühlen, auch beim Essen und bei der Partnerwahl – ok, da kommt der Geruch noch dazu.“ Sie grinste.
„Aber logisch, dass dies auch bei der Konsumentenforschung benutzt wird.
Diese Thematik macht auch nochmal verständlicher, warum Gegenstände in meiner Wohnung mich beeinflussen: Sie bestehen aus Farben und Formen.“

Sie las weiter:
„Die Chemie des Gehirns und die ausgelösten Gefühle sind bei der Steuerung unseres Kaufverhaltens mit im Boot:
Etwas Herabgesetztes zu kaufen stimuliert unser Belohnungszentrum.
Die dabei produzierten Hormone geben uns ein Gefühl von Befriedigung und animieren uns, nach weiteren Schnäppchen Ausschau zu halten.“
„So viel zum Thema Selbstbestimmung“, dachte sich Lexi. „Na super…
Und in einer Großstadt zu wohnen hilft auch nicht gerade. Vielleicht sollte ich doch aufs Land ziehen…
Das heißt, ich kaufe Dinge und Mengen, die ich eigentlich gar nicht wollte.“
Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr ärgerte sie sich.
Dabei ging es ihr vor allem um die Tatsache, dass sie zum Kauf manipuliert wurde.
Was sie auch ärgerte, war, dass sie für den ganzen Kram ja Miete bezahlen musste, von den Stromkosten für die Beheizung der Räume ganz zu schweigen.
„Das heißt:
Die Dinge, die ich kaufe:
- kosten mich erst Zeit und Geld bei der Anschaffung
- dann kosten sie Zeit, Geld und Nerven bei der Unterbringung
- dann beschweren sie mich
- dann spiegeln sie mir ein falsches Selbst
- dann rauben sie mir meine Konzentration
- dann tragen sie zur Unordnung bei, denn je mehr ich habe, desto schwieriger wird es, alles in Ordnung zu halten
- und wenn ich sie wieder loswerden will, verursachen sie mir Schmerzen!
Oh mannomann… wo haben wir uns da nur reingeritten.
- Und das war noch nicht alles:
Um das Ganze mitmachen zu können, rackern wir uns in der Arbeit ab – um dann brav Geld für Konsum auszugeben.
Von wegen selbstbestimmt.
Wir sind eine Herde fremdbestimmter Schafe.“

Und auch das mit der Zeit wurmte sie, je mehr sie sich darüber bewusst wurde. „Das heißt, es kostet mich Zeit, um danach meine Zeit zu kosten! Wah!“
Lexi war erleichtert, dass es offensichtlich nicht nur ihr so ging.
Trotzdem wollte sie das nicht länger mitmachen.
„Nein“, sagte sie, „so kann das nicht weiter gehen.
Da kommt mir Aufräumcoaching gerade Recht.
Der Prozess wird mir das nötige Bewusstsein geben, um in Zukunft weniger auf die Reize der Werbeindustrie herein zu fallen.
Und die Umwelt wird auch nichts dagegen haben, wenn weniger Ressourcen und Energie verbraucht und Müll produziert wird.“
Wenn sie daran dachte, wie viele Lebensmittel weggeschmissen wurden und wieviel Kleidung ungetragen in Schränken hing, konnte sie ein unbehagliches Gefühl nicht wegschieben.

„Am Ende spare ich Geld und Zeit.
Und diese Zeit werde ich mit Kontakten statt Konsum verwenden.
Super, das ist mal ein Plan! Hoffentlich hat die Frau Bauer auch bald Zeit, dann kann ich meinem Leben eine ordentliche Wende geben.
Das wird spitze!“

Lexi freute sich so sehr, dass sie aufstand und sich summend ein Stück Schokoladenkuchen abschnitt, den ihre Oma für sie zum Geburtstag gebacken hatte.
Sie setzte sich auf die Fensterbank und genoss ihn in aller Ruhe.
Tiger grinste in seine Schnurrbarthaare.
Eigentlich spielte Lexi sogar mit dem Gedanken, in eine kleinere Wohnung umzuziehen. Vor kurzem hatte sie etwas gelesen von einem neuen Trend namens „Tiny Home“.
„Das hat schon was“, dachte sie.
Sie hatte Bekannte, die in kleinen Wohnungen lebten und wenn man das schön herrichtete, konnte es richtig gemütlich sein.
„Kein Wunder, dass das jetzt ein Trend ist – bei den Strompreisen… von den steigenden Mieten ganz zu schweigen.
Aber spätestens da braucht man dann wirklich einen Aufräumcoach, sonst kriegt man nie alles unter.
Wir werden sehen, wo es mich hinzieht. Erst mal Ausmisten und Aufräumen.“
Als sie ihren Kuchen zu Ende gegessen hatte, setzte sie sich hin und schrieb der Psychologin eine E-Mail.
Tiger war glücklich – so vergnügt und gelöst hatte er Lexi schon lange nicht mehr erlebt.
Er war mit sich und seiner Arbeit zufrieden.

Aufräumcoaching – es ist soweit
Nicht lange Zeit später trafen sich die beiden Frauen und gingen das Projekt „Ausmisten und Aufräumen“ gemeinsam an.
Sie hatten ein paar Tage eingeplant und gingen die komplette Wohnung durch.
Bis auf den Laptop und Lexis Fotos. Die würde sie im Anschluss alleine machen.
Was sie alles fanden war verblüffend, traurig, befreiend und beglückend.
Lexi sah, dass in ihrer Wohnung keine Grenze zwischen Privatem und Beruflichem gezogen war: Kleidung, Bücher und Unterlagen waren vermischt.
Eine klare Trennung war notwendig: Was ist mein Beruf und was bin ich?
Sie wollte sich nicht mehr selbst und auch nicht mehr im Beruf verlieren.
Also bekamen die beruflichen Sachen einen abgetrennten und abgeschlossenen Bereich und vor allem kamen sie aus dem Schlafzimmer raus.
Was sie auch sah:
Sie hatte viel mehr berufliche Kleidung als private. Das wollte sie ändern.
Sie nahm sich vor, ihren privaten Bereich auszubauen und mehr Zeit mit dem Wesentlichen zu verbringen.
Das waren für sie das Genießen und die Begegnung mit Menschen.
Je mehr Lexi „Fremdes“ aussortierte, desto klarer traten ihre Konturen hervor.
Mit jeder Reaktion auf einen Gegenstand stellte sie eine bessere Verbindung zu sich und ihren Gefühlen her und wusste immer mehr, was sie mochte und was nicht.
„Das wird mir viel nützen“, dachte sie.
„Wenn ich in Zukunft vor der Frage stehe, ob eine Situation, Person, Projekt oder Gegenstand gut für mich ist, tue ich mir leichter mit der Antwort.
Das nenn ich mal ein gutes Training, im Vergleich zum Konsum-Training.“
Sie lachte und Frau Bauer grinste verschmitzt.

Als Frau Bauer wieder nach Hause gegangen war, meinte Lexi zu Tiger:
„Was ist jetzt mit mir? Bekomme ich auch einen Namen zu meiner neuen Identität?“
„Hast du denn schon eine neue Identität?“, fragte Tiger.
„Hm…“, überlegte Lexi, „eigentlich nicht…“
„Ja, das denke ich mir“, meinte Tiger. „Bei Menschen dauert es länger als bei Drachen. Und du hast ja erst angefangen.
Aber ich glaube das ist gut so, denn stell dir vor wie entwurzelnd es wäre, wenn du dich von einem auf den anderen Tag stark ändern würdest.
Du würdest dich nicht wieder erkennen. Puh…
Da ist es besser, sich Stück für Stück zu finden.
So kannst du den Prozess auch genießen.
Der Grundstock ist jedenfalls gelegt und die Fertigkeiten hast du jetzt auch.
Am Ende ist es dann bei dir gar kein neuer Name – vielleicht färbst du dir stattdessen die Haare – in deiner Lieblingsfarbe – lila!“
Lexi lachte laut auf.
„Ich glaube schon, dass ich etwas lockerer geworden bin, aber soweit ist es nun doch noch nicht.

Aber du hast Recht“, meinte sie weiter.
„Das Rad ist angestoßen und kräftig am Rollen.
Schauen wir, wo es mich hin rollt.
Ich bin schon sehr gespannt.“
Lexi war glücklich und zufrieden:
Zusätzlich zum angestoßenen Rad ihrer Identitätsentwicklung hatte sie nun das Wohlfühl-Zuhause, das sie sich immer gewünscht hatte – und wahrscheinlich ordentlicher noch als Marie Kondo, die mit drei Kindern ihre weltweit berühmte Ordentlichkeit aufgegeben hatte.
„Aber eines, Tiger, würde ich mir noch wünschen…
Könntest du nicht mit deinem Drachenfeuer die Mauer, die ich um mein Herz errichtet habe, ein bisschen schmelzen?“

Tiger lächelte weise.
Er freute sich, wenn er sein Wissen an Lexi weiter geben konnte.
„Also“, meinte er, „es ist so…“
„Au, jetzt kommt’s“, grinste Lexi.
„Meine Drachenschule war in China. Logischerweise wurden wir dort in der asiatischen 5-Elemente-Lehre unterrichtet. Statt „Elemente“ kann man auch „Entwicklungsphasen“ sagen.
Das gehörte zur Grundausbildung jedes Beschützerdrachens.
Wir müssen die Naturgesetze ja kennen. Ihr Westler habt die vier Elemente Wasser, Luft, Feuer, Erde.
Die Asiaten haben statt Luft Holz und zusätzlich noch Metall. Ich werde dir das ein anderes Mal genauer erklären.
Jetzt erstmal so viel:
Feuer kann Metall schon schmelzen, das ist richtig. Aber das ist nicht die gesündeste Lösung.
Um Metall zu „erweichen“, brauchst du das Element Wasser.
Das heißt, du könntest öfter mal schwimmen gehen, Zimmerbrunnen in der Wohnung aufstellen oder deine Wohnung mit blauer Dekoration schmücken.“

„Ahaa…“, meinte Lexi.
„Hm, ich sehe, das ist ein weites Feld. Das musst du mir wirklich mal genauer erklären.
Aber das mit der blauen Deko klingt gut. Da werde ich später gleich mal recherchieren, was es so alles gibt.
Und nach der Ausmist-Aktion ist dafür jetzt auch Platz. An manchen Stellen ist es sogar ein bisschen leer und zu weiß. Da braucht es eh noch etwas. Sehr gut…“
Sie grübelte.

Dann stand sie auf, ging zum Herd und begann sich nach langer Zeit wieder eine heiße Schokolade zuzubereiten.
Ihrer Tasse fügte sie einen Tropfen des ätherischen Öls Blutorange hinzu, während Tiger einen Tropfen Pfefferminze bekam.
Als besonderes Highlight ließ sie in jede Tasse zwei Kugeln Lindor-Schokolade gleiten, die sofort in der Hitze zu schmelzen begannen.
Sie nippte genüsslich daran.
Schon der Duft war eine Wohltat.
„Es tut gut, wieder mehr Kontakt zu mir zu haben“, sagte sie zu Tiger.
Sie traten auf den Balkon und sahen einen bunten Abendhimmel.
In der Ferne leuchteten die Alpen in den letzten Sonnenstrahlen.
Lexi fragte:
„Weißt du, wo wir schon lange nicht mehr waren? Im Kino. Ich habe genau den richtigen Film für uns. Es läuft der nächste Teil von Creed. ‘Cause Rocky never dies…’“
Sie grinste spitzbübisch.
„Au ja!“, rief Tiger. „Das ist eine geniale Idee. Und weißt du, Lex‘, wen wir noch fragen könnten, ob er mitkommt? Leo!“
Lexi sah ihn lange an. Dann antwortete sie:
„Tiger, ich glaube das ist eine sehr gute Idee.“
Sie atmete tief ein und aus.
„Ah“, dachte Tiger bei sich. „Das Schmelzen des Mäuerchens um ihr Herz hat schon begonnen – wie die Schokoladenkugeln.“
Er war zufrieden.
Sie lächelten sich an.
Dann blickten sie in die Weiten des Abendhimmels, bewunderten die fröhlichen Farben, die er zeichnete und genossen den Geschmack ihrer heißen Schokolade.
